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Dorfspaziergang mit Naumburgs OB Idyllische Ruhe, wenn nicht ... - Tour durch Heiligenkreuz zeigt schöne und weniger schöne Seiten

Naumburgs Oberbürgermeister Armin Müller lässt sich durch den Ortsteil Heiligenkreuz führen, wo es beschaulich zugeht. Das Caritas-Wohnheim sorgt für eine wohltuende Belebung.

Von Harald Boltze Aktualisiert: 24.05.2024, 20:31
Herrlich blühend, aber auch vom Buchsbaumzünsler zerfressen: Werner Meyenberg zeigt seinen prachtvollen Garten.
Herrlich blühend, aber auch vom Buchsbaumzünsler zerfressen: Werner Meyenberg zeigt seinen prachtvollen Garten. (Foto: Torsten Biel)

Heiligenkreuz - „Manche von Ihnen waren vielleicht noch nie so richtig bewusst hier im Ort“, sagt Oberbürgermeister Armin Müller am Donnerstagabend bei der Begrüßung zum Ortsspaziergang in Heiligenkreuz. Und seine Chance, richtig zu liegen, steht gut.

Denn erstens ist diesmal die Beteiligung von Einwohnern, interessierten Bürgern und Stadträten (ein Schelm, wer im Wahlkampf Böses denkt ...) besonders hoch. Zudem besticht Heiligenkreuz eher durch Ruhe, als durch ein für Bekanntheit und Massenauflauf sorgendes Volksfest oder Denkmal.

Enorme Lärm- und Staubbelastung

Mit der Ruhe zwischen der B88 und Crölpa-Löbschütz ist es aber seit Monaten vorbei. Die Bad Kösener Ortsumfahrung endet in Heiligenkreuz, die Arbeiten laufen. Derzeit fahren die Baufirmen fast im Minutentakt Abraum vom Brückendurchbruch bei Rödigen in die alte Kiesgrube Prießnitz, die damit wieder verfüllt wird. „Steht der Wind ungünstig, ist das schon eine enorme Lärm- und Staubbelastung“, erzählt Vize-Ortsbürgermeister Andreas Otto. Manches Fensterputzen für Pfingsten hat sich da binnen Stunden zum Reinfall entwickelt.

Otto ist es, der nach dem Start an der Umgehungsstraße durchs Dorf führt – und in den kommenden Jahren auch die Geschicke von Heiligenkreuz leiten soll. Jedenfalls, wenn es nach Lutz Schlicht geht. Der jetzige Ortsbürgermeister tritt nicht mehr zur Wahl an. „Ich habe das zehn Jahre lang sehr gerne gemacht“, meint Schlicht zur Begrüßung. Das schöne Wetter für den heutigen Spaziergang habe er als letzte Amtshandlung bestellt.

Start an der zukünftigen Umgehungsstraße: Vize-Ortsbürgermeister Andreas Otto erklärt, wie genau die neue Trasse nahe Heiligenkreuz auf die B88 trifft.
Start an der zukünftigen Umgehungsstraße: Vize-Ortsbürgermeister Andreas Otto erklärt, wie genau die neue Trasse nahe Heiligenkreuz auf die B88 trifft.
(Foto: Torsten Biel)

OB Müller sagt natürlich auch ein paar Worte zur Ortsumgehung. Dass man „leider noch einige Jahre“ auf das entsprechende Pendant in Richtung Wethau warten müsse und dass es dadurch wohl zu einer enormen „und wirklich unschönen“ Belastung der B 88 und des Salztores kommen wird.

Alles andere als „unschön“, sondern mit den Bleiglasfenstern und Deckenmalereien ein Kleinod ist hingegen die Kirche von Heiligenkreuz, unser nächster Stopp. Gemeindekirchenrätin Silvia Gerhardt erzählt Einiges zur Geschichte, etwa, dass umliegende Bauern, vor allem aus Kukulau, im Jahr 1913 für 200 Goldmark pro Stück eben jene Fenster erst ermöglicht haben. „Das war damals viel Geld“, so Gerhardt. Die Firma Franke aus Naumburg baute sie dann. Durch Feuchtigkeitsschäden ist auch jetzt noch Einiges zu tun im Gotteshaus. Die Uhr immerhin läuft nun elektrisch, die Glocken müssen noch per Hand aufgezogen werden. Gottesdienst findet etwa einmal im Monat statt. Der in Leislau wohnende Pfarrer Michael Greßler hat 16 Kirchen in 18 Dörfern zu bedienen, was etwa zu Pfingsten zur Mammuttour wird, wie Silvia Gerhardt anerkennend meint.

Bringen Glanz in die Kirche: die Bleiglasfenster von 1913
Bringen Glanz in die Kirche: die Bleiglasfenster von 1913
(Foto: Torsten Biel)

Wir gehen zur Engstelle im Dorf, einer Doppelkurve, die zum Nadelöhr wird, wenn sich Lkw begegnen. „Das ist wirklich schwer zu lösen. Viele Bewohner wünschen sich wenigstens eine 30er-Zone zur Beruhigung“, erzählt Andreas Otto. „Es sind schon etliche Unfälle passiert, bisher zum Glück immer glimpflich ausgegangen“. An der Kurve sehen wir eine Ruine – „es ist das einzige leerstehende Haus“, erklärt Andreas Otto. Das berühmte „Dorfsterben“ ist also auch hier verschoben worden oder sogar ganz abgesagt

Grünes Paradies auf 3.000 Quadratmetern

Doch nicht alle Spaziergänger kommen gleichzeitig an der Kurve an. Schließlich hat Werner Meyenberg das Tor zu seinem Hof geöffnet. Es bildet den Eingang zu einem Gartenparadies – und ein Blick hinein will sich kaum jemand entgehen lassen, der weiß, dass Meyenberg in Naumburg viele Jahre lang Blumen an der Ecke Marienstraße/Markt verkauft hat. „Wie viele Mitarbeiter haben Sie denn hier, um alles zu pflegen“, fragt ein Mit-Spaziergänger scherzhaft mit Blick auf den über 3.000 Quadratmeter große Garten. Doch auch für den Flora-Profi Meyenberg gibt es Endgegner. Den vermaledeiten Buchsbaumzünsler etwa. „Im letzten Jahr habe ich ihn noch in den Griff bekommen. Dieses Jahr? Chancenlos!“, so Meyenberg mit Blick auf seinen zu Schaden gekommenen Barockgarten. „Den Zünsler haben wir uns aus Bayern eingehandelt“, wirft eine Frau ein. Doch Meyenberg korrigiert. „Nee, aus Asien. Nicht alles Schlimme kommt aus Bayern, da müssen wir fair bleiben“.

 Die zwei Herren vom Grill: Lars (l.) und  Marco verköstigen die Besucher. Das Anfang der 90er erbaute Caritas-Wohnheim ist Endstation des Dorfspaziergangs.
Die zwei Herren vom Grill: Lars (l.) und Marco verköstigen die Besucher. Das Anfang der 90er erbaute Caritas-Wohnheim ist Endstation des Dorfspaziergangs.
(Foto: Torsten Biel)

Am Feuerwehrgebäude sehen wir ein vergleichsweise modernes Fahrzeug. Neben neun Mitgliedern in der Ehrenabteilung, gibt es auch 15 aktive Brandbekämpfer. „Doch gerade bei den Jungen ist es ganz schön schwer, die Motivation hochzuhalten“, gibt Wehrleiter Franz Otto zu. Ein paar Schritte weiter, am Spielplatz, der mit Kletterturm samt Rutsche sowie Fußballtor einen einladenden Eindruck macht, erklärt Franz Otto, welche Kleinigkeiten hier zu tun sind. Er, der bei der Stadt Naumburg angestellt und für Spielplätze, Brunnen und Mobiliar zuständig ist, komme aber einfach nicht dazu. „Durch den immer stärker werdenden Vandalismus in Naumburg bleibt für sowas hier einfach keine Zeit. Das ist Wahnsinn!“

Macht orgelnd Werbung fürs Brunnenfest: Wolfgang Funke.
Macht orgelnd Werbung fürs Brunnenfest: Wolfgang Funke.
(Foto: Torsten Biel)

Dann erklingt Drehorgelmusik von Wolfgang Funke. Wir sind am Ziel und bei den für den Rundgang obligatorischen Bratwürstchen und Kaltgetränken angekommen. Serviert werden sie in der Caritas-Wohnstätte für Menschen mit geistiger oder Mehrfachbehinderung. 26 Männer und vier Frauen leben hier in drei Wohngruppen, einer von ihnen ist Rentner, die anderen arbeiten in Naumburg oder Osterfeld. „Es ist ein wunderbares Zusammenleben mit diesen Menschen hier im Ort“, sagt Andreas Otto. Und Pia Handke, die seit 1997 das Heim leitet, gibt das Lob zurück. „Wir sind hier als vergleichsweise großes Haus in einem kleinen Ort super aufgenommen worden. Das ist nicht in allen Dörfer so gelaufen“. Von der zu Tränen gerührten Hannelore Rossol bekommt Handke einen Spendenumschlag zugesteckt. Eine Geste, die wir an dieser Stelle – Stichwort Wahlkampf – nicht erwähnen würden, würde Rossol nicht immer wieder genau solche Dankbarkeiten verschenken.

„Wir müssen alle miteinander mehr ins Gespräch kommen“, hatte sich OB Müller schon zu Beginn des Spaziergangs gewünscht, und dies wurde gleich vor Ort erfüllt. Die Mitlaufenden schwatzten stets und ständig nach Herzenslust. Auf die Ermahnungen, man verstehe ja gar nichts von der Vorstellung des Ortes, hieß es gleich mehrfach, „Na, das lesen wir doch dann alles im Tageblatt“. Auch wieder wahr.