1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. Hintergrund: Hintergrund: Vorbereitung auf Wettbewerb am Rennsteig

Hintergrund Hintergrund: Vorbereitung auf Wettbewerb am Rennsteig

06.05.2013, 06:44
Aus den Klauen des Drachen Kuno befreit: die befreite Jungrfau Sonne mit Rittern im Rasenlabyrinth der Trojerburg.
Aus den Klauen des Drachen Kuno befreit: die befreite Jungrfau Sonne mit Rittern im Rasenlabyrinth der Trojerburg. hans-dieter speck Lizenz

Eine Göttin macht noch keinen Lenz. Das mussten die Steigraer am letzten Sonnabend im April fröstelnd erfahren. Ostara, die Frühlingsgöttin, hatte sich den Anorak übergezogen, und vom Blütenkranz im Haar tropfte der Regen. Lehrerin Constance Opel, die das Steigraer Frühlingsfest alljährlich Ende April so göttlich eröffnet, hatte ein derartig bitterkaltes und verregnetes Fest in ihrer achtjährigen Amtszeit noch nie erlebt. Und auch Christel Kunz, Vorsitzende des Heimatvereins, war ein wenig traurig, bemühte sich dennoch die Höhepunkte über die Bühne zu bringen. Freilich, der Drachen Kuno musste ins Trockene gebracht werden, sonst hätte statt des Ritter Georgs der Landregen der vier Meter langen Pappmachéfigur glatt den Garaus gemacht.

Wie die Feste fallen

Doch die Befreiung der Jungfrau Sonne aus seinen Klauen im Rasenlabyrinth der historischen Trojaburg durch tapfere Recken geschah so, wie all die Jahre seit 1994, in dem der Heimatverein das Fest ins Leben rief. Wenn auch Sarah Kurzhals, die Sonnenjungfrau, in ihrem luftigen Kleid ob des Wetter-Dillemas arg deplaciert wirkte.

Zum Trost: Die Steigraer oder Steiersche, wie sie sich gern nennen, haben im Jahresverlauf noch weitere Feste in petto. Als da sind der Umzug der Pfingstburschen, das Weinfest Ende Juni mit Wahl der Weinprinzessin, ein Countryfest und schließlich auch noch das karnevalistische Treiben. Bürgermeister Walter Wrede verweist dabei auf die Aktivitäten der Bürger in den Vereinen. Da muss er selber kurz innehalten, um keinen zu vergessen: Vom Heimatverein mit seinen 24 Mitgliedern war schon die Rede, dann gibt es den Countryverein „Wild Horses“, den Motorrad- und den Jagdverein sowie die Pfingstburschen, die Feuerwehr, den Karnevals- und den Schützenverein mit eigenem Schießstand am Dorf. Und da Steigra ein waschechtes Winzerdorf ist, gibt es natürlich auch den Winzerverein.

Winzerverein mit 102 Mitgliedern

An den Steillagen von Hahnenberg und Osterberg gedeiht ein vorzüglicher Wein. Steigra ist der nördlichste Teil des Saale-Unstrut-Weinbaugebietes. Hier ist die Grenze des gewerblichen, qualitativen Rebenanbaus. Seit 1936 besteht der Winzerverein, der 102 Mitglieder (allerdings nicht alle aus Steigra) zählt und der Freyburger Winzervereinigung angehört. Die Hobbywinzer bewirtschaften zwischen 100 Quadratmeter bis zu fünf Hektar. Größter Weinanbauer ist das Agrarunternehmen mit 14,7 Hektar Rebfläche. Auch Bürgermeister Wolfgang Wrede tanzt da nicht aus der Reihe, er besitzt 700 Stöcke am Hahnenberg, Müller-Thurgau, Silvaner und Portugieser. Zudem hat er sich noch um ein besonderes Weinbaukapitel verdient gemacht. Als ehemaliger Tagebauleiter im Zementwerk Karsdorf rebte er gemeinsam mit Winzer Udo Lützkendorf aus Bad Kösen einen Steinbruch auf. „Viele haben uns damals für verrückt erklärt, heute wachsen dort - als Hohe Gräte wohl bekannt - ausgezeichnete Qualitätsweine, Spätlesen und Große Gewächse.

Bleiben wir noch ein wenig in der Natur, die sieht man nämlich von der Bundesstraße 180 kaum, wenn man mit flotten Reifen das Dorf durchquert. Die beginnt dort, wo der Dorfrand urplötzlich abbricht und bewaldete Schluchten talabwärts führen. Auf einer der vielen hier aufgestellten Parkbänke treffen wir auf Walter Kurzhals, den Altbürgermeister von Bad Bibra, der im Harz, so heißt treffenderweise eine Steigraer Straße am Steilhang, seinen Ruhesitz hat. Der rüstige 83-Jährige ist Jagdpächter und Jäger im Jagdverein des Ortes. Im Lohholz, das bis in die Gleinaer Flur reicht, und in den Osterbergen werden Rehe, Schweine und neuerdings auch Waschbären gejagt. Ein prächtiges Panorama tut sich auf. Weit geht der Blick ins Unstruttal, über das sich die große Brücke der ICE-Strecke Leipzig-Erfurt spannt, die dicht bei Steigra im Osterbergtunnel verschwindet. Karsdorf, Wetzendorf, Wennungen erscheinen als Spielzeugdörfer. Vom Tal aus betrachtet, sieht man, das Steigra über den Rebhängen thront. Steigra ist mit mehr Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen versehen, als andere Dörfer hierzulande. Da kann man nur staunen. Zwei Kindergärten sind in der Gesamtgemeinde, in Steigra und in Schnellroda, Bäcker und Fleischer aus Nachbargemeinden unterhalten Geschäfte im Ort, es gibt das kleine, aber feine Blumenhaus von Susan Fiedler, Fußpflegesalon und Ergo- und Physiotherapie und die Zahnarztpraxis von Annerose Garthoff. Zwei Allgemeinmediziner praktizieren mit drei Sprechstundenhilfen im Dorf – Bernd Maier und Margot Dalitz. Das ist Spitze. Direkt an der Hauptstraße kommen wir mit Karin Roeupsch ins Gespräch. Sie betreibt das gut frequentierte Motel an der B 180. Ursprünglich eine Scheune, sind in der modernen Unterkunft zwölf Doppel- und ein Einzelzimmer sowie ein Frühstücksraum eingerichtet. Gleich gegenüber ist dann der große Gasthof „Zum Ritter Georg“, der wie die Kirche den Namen des Heiligen Drachentöters trägt, den man im Dorf seit altersher verehrt.

Schaflinde rund 800 Jahre alt

Große Gehöfte mit schweren Toren erinnern daran, dass Steigra ein Dorf mit reichen Bauern war. Landwirtschaft wird auch heutzutage betrieben. Das Agrarunternehmen Steigra mit Ackerbau und Tierhaltung gehört zu den erfolgreichen Unternehmen seiner Art im Saalekreis. Im Gewerbegebiet haben sich eine Reihe von Gewerken und Betrieben angesiedelt: Landtechnik, Fenster- und Stahlbau, Autowerkstatt, ein Reiseunternehmen bis hin zum Trockengemüseproduzenten für Suppenhersteller, um nur einige zu nennen.

Zu guter letzt erinnern die Heimatvereinsfreunde Werner Philipp (87) und Eberhard Opel daran, doch das älteste Inventar des Dorfes in Augenschein zu nehmen. Es ist eine der ältesten Gerichtslinden Deutschlands, die Schaflinde, die gute 800 Jahre auf ihrem zerklüfteten, von Blitzschlägen gebeutelten Stamm haben dürfte. Opel weiß dazu noch die Geschichte des Ritters von Eck zu erzählen, der 1380 hier gehenkt worden war, weil er einen Naumburger Kaufmann überfallen hatte. Damals war Steigra noch Gerichtsort und besaß bis ins 20. Jahrhundert eigenes Marktrecht. Das waren noch Zeiten!

Bilder eines Dorfes: Steigras Frühlingsgöttin Ostara eröffnet das Frühlingsfest.
Bilder eines Dorfes: Steigras Frühlingsgöttin Ostara eröffnet das Frühlingsfest.
Speck Lizenz
Relief aus dem 17. Jahrhundert zur Auferstehung Christi - zu sehen an der Kirchhofmauer.
Relief aus dem 17. Jahrhundert zur Auferstehung Christi - zu sehen an der Kirchhofmauer.
Speck Lizenz
Blumenverkauf bei Susan Fiedler.
Blumenverkauf bei Susan Fiedler.
Speck Lizenz