Hintergrund Hintergrund: Keiler wird bis zu 200 Kilogramm schwer
bad kösen/krawinkel. - Paulchen ist ein Wildschein, das mit seinen kleinen schwarzen Hufen über das Laminat der Wohnstube schlittert und sich gerade in einer Ecke des Zimmers erleichtert. Dem Pfützchen folgt ein Grunzen.
Vor drei Wochen wurde es mutterseelenallein am Landesweingut Kloster Pforta aufgegriffen (Tageblatt / MZ berichtete). Seitdem lebt es in der Familie des Vorsitzenden des Tierparkvereins, wird mit Katzenmilch gefüttert, am Bauch gekrault. Dass es sich am Leben erfreut, ist ein kleines Wunder. "Es war unterkühlt, gerade frisch geboren. Die Nabelschnur war noch zu sehen", erzählt Nadine Schmidt. Nur bei der Körperpflege fühlt sich Paulchen alles andere als sauwohl. "Das Duschen hat ihm nicht so gefallen", sagt Marno Scherling.
Nur wenige Kilometer entfernt in Krawinkel nahe Laucha hegen und pflegen die Heybecks ebenfalls einen gefundenen Frischling - in diesem Fall eine kleine Dame namens Henryette. Ramona Heybeck hatte das Jungtier im Februar während ihres Paketdienstes am Straßenrand entdeckt, ebenfalls allein auf weiter Flur und unterkühlt. Mittlerweile lebt das Borstenvieh im Hof, vergnügt sich mit Cora, der Hündin, mit Katzen und Enten.
Beide Familien wissen indes schon jetzt: Die verspielten Tage mit den kleinen Vierbeinern haben irgendwann ein Ende. Während Paulchen in den Bad Kösener Tierpark, später in ein Wildgehege kommen soll, hofft auch Ramona Heybeck auf ein gutes Ende für ihren grunzenden Findling "Auf alle Fälle geht sie in einen Zoo, sie soll nicht geschlachtet werden", sagt die Krawinkelerin.
Marno Scherling hat in den vergangenen Jahren immer wieder Jungtiere aufgepäppelt. Im vergangenen Jahr starb ein Hängebauchschwein und hinterließ neunfachen Nachwuchs. Zudem erhält er ab und an Besuch, wenn ein Tier in Not ist - ob Steinmarder, Rehkitz oder Falke. Und der Tierpark-Chef weiß, auch mit Blick auf Paulchen: "Die Tiere gehören in den Wald. Man sollte Jungtiere nicht anfassen." Für die Jägerschaft sind Wildschweine Zielobjekte. Die hiesigen Populationen haben kräftig zugelegt, erklärt Hartwig Jork, Vorsitzender der Jägerschaft Burgenlandkreis. "Die vergangenen Winter konnten die Bestände nicht reduzieren", so Jork. Zudem seien die Möglichkeiten der Bejagung schlechter geworden. In den großen Mais- und Rapsfeldern können sich die Tiere gut verbergen. Einen Jagdhund dort hineinzuführen, wäre zu gefährlich, erzählt der Jäger weiter. In den Zeiten der Herbstjagd achte man auf trächtige Bachen. "Da haben Jäger schon Skrupel", sagt Jork.
Schwarzwild, ob Keiler oder Frischling, darf ganzjährig bejagt werden. Laut dem Landesjagdgesetz Sachsen-Anhalt haben nur führende Bachen Schonzeit. Und übrigens: Ein Wildtier darf nur mit schriftlicher Genehmigung der oberen Jagdbehörde wieder ausgesetzt werden.
Weitere Fotos zu Paulchen und Henryette auf www.myheimat.de