Geschichte Geschichte: Nach Studium in Erfurt und Wittenberg 1508 zum Priester geweiht

Sein Name und seine Bedeutung sind nahezu in Vergessenheit geraten. Martin Luther und Melanchthon kennen die meisten. Doch ohne Georg Spalatin (1484 – 1545) wäre die Geschichte der Reformation womöglich eine andere geworden. Er behauptete einst: „(...) wenn er nicht gewesen wäre, nimmermehr wäre es mit Luthero und seiner Lehr so weit gekommen.“ Und wahrlich - vieles deutet darauf hin, dass er in seiner Funktion als Geheimsekretär am Hofe des sächsischen Kurfürsten Friedrich III. (1463 - 1525) - unter dem Namen Friedrich der Weise bekannt und Begründer der Universität zu Wittenberg - den Verlauf der Reformation nicht unerheblich mit beeinflusst hat.
Acht thematische Räume
Die Stadt Altenburg widmet Georg Spalatin, zudem Gelehrter und Geistlicher, Berater und Chronist, nun eine Sonderausstellung. „Er ist eine faszinierende Gestalt und stand nicht hinter Martin Luther, sondern dank seiner Leistungen und Verdienste vielmehr neben ihm“, bemerkte Kurator Hans Joachim Kessler.
Im diesjährigen Themenjahr „Reformation und Politik“ innerhalb der Luther-Dekade berichtet die Exposition in insgesamt acht thematischen Ausstellungsräumen im Residenzschloss nicht nur vom Leben und dem intensiven Schaffen des im fränkischen Spalt geborenen und in Altenburg verstorbenen Freund Luthers. Die Schau beschreibt Religiosität und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation und wirft zudem einen Blick auf die politischen Verhältnisse im Heiligen Römischen Reich und im Kurfürstentum Sachsen sowie auf die Zustände am kurfürstlich-sächsischen Hofe, an dem Spalatin beschäftigt war.
Chroniken im Original zu sehen
Rund 250 Exponate sind zusammengetragen worden, darunter wertvolle Leihgaben aus zahlreichen Museen, Archiven und Sammlungen aus dem In- und Ausland. Zu sehen sind unter anderem Schriftzeugnisse, Kunstwerke und Gebrauchsgegenstände. Zu den bemerkenswertesten Schaustücken zählen der originale Grafik-Zyklus „Die Apokalypse des Johannes“ von Albrecht Dürer sowie die Original-Bände der Chronik der Sachsen und Thüringer, von Spalatin verfasst und von der Cranach-Werkstatt mit kolorierten Federzeichnungen illustriert. Die Chroniken - ein nicht unbedeutender Teil des Lebenswerkes Spalatins - werden zum ersten Mal aus konservatorischen Gründen jeweils in Abständen von rund sechs Wochen einzeln gezeigt. Das größte Exponat ist eine Gutenberg-Druckerpresse aus dem 19. Jahrhundert, das kleinste Schaustück ein Fingerhut aus den Jahren um 1500. Hörstationen und virtuelle Rekonstruktionen auf Bildschirmen runden den informativen Besuch ab.
Die Themenräume sind vor der Ausstellung teilsaniert und restauriert worden. Aus konservatorischen Gründen dringt kein Tageslicht ein, werden die Objekte mit LED-Beleuchtung ins rechte Licht gerückt. Der Versicherungswert aller Ausstellungsobjekte umfasst einen siebenstelligen Wert. Rund 541 000 Euro haben der Freistaat Thüringen und die Stadt Altenburg in diese Sonderausstellung investiert. „Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit und Verpflichtung zugleich. Wir wollen diesen Trumpf ausspielen und haben uns bewusst für dieses Thema entschieden“, erklärte Michael Wolf, Oberbürgermeister der Skatstadt Altenburg. Nicht nur werde Spalatin in der Geschichtsschreibung nicht richtig und umfassend dargestellt, die Reformation habe zudem die Stadt im Osten Thüringens und im Spannungsdreieck zu Sachsen-Anhalt und Sachsen maßgeblich geprägt, so Wolf weiter.
Ein Exponat hat ob seiner Größe nicht den Weg in das Residenzschloss gefunden und wird auf besondere Art präsentiert: die Stadtkirche St. Bartholomäi. Hier war Spalatin am 5. August 1525 zum evangelischen Pfarrer berufen worden. Luther hatte in jenem Gotteshaus gepredigt. Mit einer künftigen Dauerausstellung soll in dem gotischen Bauwerk über die Sonderschau im Schloss hinaus an den Steuermann der Reformation und die Geschichte der Reformation erinnert und an das Thema angeknüpft werden. Die Kirche zählt zu den bundesweit 22 Stätten der Reformation und erhielt 2011 das Europäische Kulturerbe-Siegel verliehen.
Weg in Gegenwart schlagen
Pfarrer Reinhard Kwaschik hofft auf ein breites Wirken der Exposition. „Wir wollen weg vom Historismus. Uns ist es wichtig, den Weg in die Gegenwart und Zukunft zu schlagen und zu zeigen, wie lebendig Kirche und Glauben sind und wie die Reformation bis heute wirkt“, sagte Kwaschik. Mit Hilfe der Schau, an der in den kommenden Jahren ganz nach dem Motto „work in progress“ immer wieder gearbeitet wird, soll aus dem Gotteshaus ein lebendiger Ort des Austauschs, der Diskussionen, des Lernens und Innehaltens entstehen. Die Mittel von rund 175 000 Euro werden von der Kirchgemeinde, dem Kirchenkreis, der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM) sowie vom Freistaat Thüringen und privaten Sponsoren aufgebracht. Gemeinsam mit Koordinatorin Christine Büring, Geschäftsführerin der Altenburg Tourismus GmbH, und einer großen Gruppe ehrenamtlicher Helfer aus ganz verschiedenen Fachgebieten hat der Geistliche die Schau vorbereitet, da für Kuratoren kein Geld zur Verfügung stand.
Wer indes kein Interesse an Religion hat, kann an Audio-Stationen Musik hören oder sich mit der über 1 000-jährigen Baugeschichte der Kirche beschäftigen. Von der Krypta über die Orgel bis zum Turm mit seiner Aussicht auf Stadt und Land sind mit offenen Augen immer neue Details zu entdecken.
Großformatiger Begleitband
Rund um die Ausstellungen ist ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm gestrickt worden. Sowohl Vorträge, Führungen und Schülerprojekte als auch Pilgertermine werden geboten. Ein Rundweg lädt ein, Spalatins Wirkungsorte kennenzulernen. Anlässlich der Exposition erschien zudem ein gleichnamiger großformatiger Begleitband, der auf knapp 400 Seiten thematische Aufsätze und zahlreiche Illustrationen vereint.
Die Sonderausstellung „Georg Spalatin. Steuermann der Reformation“ ist bis zum 2. November im Residenzschloss und in der St. Bartholomäikirche in Altenburg zu sehen. Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag jeweils von 9.30 bis 17 Uhr.

