Brauchtum Flemminger Burschenverein feiert mit vielen Gästen sein 100-Jähriges
Befreundete Pfingstgesellschaften und Vereine sind zu Gast.

Flemmingen - Schon mit den Festlichkeiten am Pfingstwochenende waren die Flemminger Burschen zufrieden gewesen. Doch eine Woche später war der Naumburger Ortsteil noch einmal der gefühlte Nabel der Welt. Denn am Samstagnachmittag reichte der Festumzug durchs Dorf so weit, wie das Auge nur blicken konnte. Diverse andere Pfingstgesellschaften und befreundete Vereine waren gekommen, um mit den Flemmingern das 100-jährige Bestehen des dortigen Burschenvereins zu feiern.
Aus 70 Mitgliedern, aktive wie passive, besteht die Pfingstgesellschaft. Am Wochenende war neben Tanz mit „Vanille & The Woodpeckers“ und „Eic3“ sowie Festumzug und Frühschoppen auch die Gelegenheit, in die Historie zu schauen. Denn die ist interessant: Gegründet wurde der Flemminger Burschenverein im Jahr 1922 von 15 ledigen jungen Männern des Dorfes, die es sich auf die Fahne geschrieben hatten, Tradition und Brauchtum während der Pfingstzeit zu pflegen. So steht es in der Chronik. Als erster Vorsitzender ist Albert Judersleben bekannt.

Die Pfingsttradition in Flemmingen liegt aber nachweislich weiter zurück. So fand Familie Seidewitz einst bei Renovierungsarbeiten ein Rechnungsheft für ein Pfingstfest aus dem Jahr 1865, das sich aber nicht auf einen Verein bezieht.
1927 wurde in Coburg eine Fahne beschafft, die im selben Jahr mit befreundeten Vereinen geweiht wurde, wie in der Chronik weiter zu lesen ist. Erkennbar ist das aber auch an den zahlreichen Fahnennägeln am Fahnenstock. In den Jahren 1940 bis einschließlich 1946 fand aufgrund des Zweiten Weltkriegs kein Pfingstfest statt. Seit den 1950er-Jahren werden traditionell zu „Kleinpfingsten“, also eine Woche nach Pfingsten, in einer riesigen Pfanne die erbettelten Eier gebraten. Dazu gibt es Bier aus einem Zwei-Liter-Glasstiefel. Zu DDR-Zeiten war der Verein als „Pfingstgesellschaft Flemmingen“ aktiv, ohne staatliche Förderung, aber durch materielle Hilfe der LPG Flemmingen und der PGH Fortschritt (später VEB Polsterwaren Flemmingen). Die Birken wurden mit Pferdefuhrwerken transportiert.
Aufgrund der Maul- und Klauenseuche fand 1956 kein Pfingstfest statt, 1977 wurde es hingegen im Wald gefeiert, da die Gaststätte „Zur Erholung“ damals geschlossen war. Die musikalische Untermalung des Ständchenblasens fand meist durch die dorfeigene Kapelle statt. Nach der Verwahrung in der DDR-Zeit wurde die Fahne der Burschen 1990 durch Familie Thrömer zurückgegeben. Im Zuge der politischen Wende entschloss man sich 1991, die „Pfingstgesellschaft Flemmingen“ wieder in „Flemminger Burschenverein 1922“ zurückzubenennen. Die aktive Mitgliedschaft ist zeitlich begrenzt, die passive aber überdauert meist bis ins hohe Alter.

Im Jahr 1992 wurde das „70-Jährige“ sehr ausgiebig gefeiert, heißt es im Blick zurück. Seit dem Entstehen des Neubaugebietes findet dort am Pfingstsamstag das Eierbetteln statt. Das Ausrufen und Hochlebenlassen ist traditionell der Hauptbestandteil des Eierbettelns. Im Jahr 2002 gründete sich eine eigene Kapelle unter dem Namen „Scheunen-Combo“. Die Leitung übernahm das heutige Ehrenmitglied des Vereins, Steffen Erler. 2012 fand das 90-Jährige der Burschen mit vielen Besonderheiten statt. So wurde die Vereinsfahne aufwendig gereinigt, konserviert und erneut geweiht. Seitdem tragen die Flemminger die bekannten schwarzen Anzuge und grünen Hüte in Anlehnung an die 1920er-Jahre. (hbo)