Fakten Fakten: Dekorierte Tropfen

Freyburg - Dem Turnvater Jahn hätte es gefallen. Auf der Terrasse seines Hauses hatten Jörg und Andrea Lückel Tische und Stühle aufgestellt und einen Weinausschank direkt unter die Büste des Rauschebarts gestellt. Darin das Beste, was der Weinkeller im Haus gegenüber zu bieten hat: Riesling, Silvaner, Gutedel, Dornfelder, Chardonnay - aber auch ausgesprochene Spezialitäten, wie den Cabertin, eine Kreuzung aus Cabernet und Sauvignon, und den im Barriquefass ausgebauten Silvaner. Nicht zu vergessen den Portwein, Port-Art, ein ganz besonderes Schmeckerchen mit 19 Prozent Alkohol und 80 Gramm Restsüße. Und die mit rotem Fruchtfleisch seltenen Weinbergspfirsiche geben einen ganz speziellen Edelbrand.
Einstige Jugendherberge ausgebaut
Die Lückels sind seit 2004 Freyburger und die Nachbarn des Turnvaters, genauer des Museums, das heute in dessen Wohnhaus ist. Sie kommen aus dem Sauerland. Andrea ist gebürtige Schweizerin, sechs Kinder zwischen sieben und 20 Jahren gehören zur Familie. Die ehemalige Jugendherberge in der Schlossstraße 21 haben sie ersteigert und danach viel Geld in die Sanierung des Hauses und der Trockenmauern im Berg gesteckt.
Jörg Lückel ist ein geselliger Mensch, und jüngst zu den Tagen des offenen Weinkellers war es ein wahres Vergnügen, mit ihm durch seine Anlagen zu gehen. 3000 Rebstöcke hat er auf den felsigen Boden einer der steilsten Hanglagen des Anbaugebietes mit fünf Terrassen gepflanzt. Mit einem Hektar zählt das Weingut zu den kleinen im Revier. Zum Berg hinterm Haus, wo hauptsächlich Rotweine wachsen, gehört noch eine kleine Fläche in der Steinmeister-Lage. „Im Jahr 2010 habe ich die ersten 1500 Flaschen mit eigenem Wein gefüllt“, erzählte Lückel und scherzte: „Den wollte ich eigentlich allein trinken.“ Die Wahrheit dahinter: Der 50-Jährige hatte eigentlich nicht vor, in größerem Umfang Wein herzustellen. Das alles habe er nicht gelernt, sagte der Quereinsteiger, der sich auch nicht Winzer, sondern Weinmacher nennt. Jörg Lückel gehörte einst zur Spitzenriege der deutschen Köche und holte als Chefkoch im renommierten Hotel-Restaurant „Mühlenhelle“ in Gummersbach mit 23 Jahren seinen ersten Michelin-Stern.
1996 hatte er seine Firma Delikatum gegründet, die er mit nach Freyburg gebracht hat. Deutschlandweit liefert er frische Produkte direkt an die Kunden: Geflügel aus Frankreich, Fleisch, das nicht aus Massentierhaltung stammt, Wildbret, Fisch und Hummer, ausgewähltes Gemüse. Mitunter kocht er noch für die Öffentlichkeit. Dann wird in dem historischen Keller des Jahn-Museums zur kulinarischen Weinprobe eingeladen.
Wenn ein Küchenmeister zum Weinmacher wird, dann bringt er eines schon mal mit – feine Geruchs- und Geschmacksnerven. Lückel kommt jedes Mal ins Schwärmen, wenn er von den Aromen spricht, die beim Reifen des Weines entstehen: Waldfrüchte, Kaffee, Schokolade. In seinem kleinen Weinkeller mit den Edelstahltanks und den Holzfässern macht ihm keiner mehr etwas vor. Anfangs hat er erfahrenen Winzern über die Schulter geblickt. Heute sind seine Weine auch auf internationalen Wettbewerben anerkannt, werden mit Medaillen ausgezeichnet (siehe auch „Fakten). Besonders seine maischevergorenen Silvaner und der im Barrique gelagerte Cabertin überzeugen die Tester. In diesem Jahr wurde der Weinmacher auch in den Gault-Millau, den renommierten Weinführer, eingetragen, was einem Michelin-Stern für einen Koch gleichkommt.
Für viele noch ein Geheimtipp
Für viele ist das kleine Weingut in Freyburg noch immer ein Geheimtipp. So zum Beispiel auch für die Naumburgerinnen Marika Bahr und Manuela Schäler. Sie haben die zwei Tage der offenen Weinkeller genutzt, um kleine Winzer zu besuchen und Weinsorten zu entdecken, die man nicht überall kaufen kann. Dazu gehört die Jahn-Kollektion von Weiß-, Rosé- und Rotwein, die eigens für Lückels Nachbarn, das Jahn-Museum, im einstigen Wohnhaus des Turnvaters abgefüllt und etikettiert worden ist.
