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Zum Abschluss der Schulkinowochen gastiert Filmemacher Dirk Szuszies im Cineplex-Kino Ein Leben in ernsten Zeiten

Streifen über Schriftsteller Walter Kaufmann gezeigt. Eintritt jetzt nach 2-G-plus-Regel.

Von Constanze Matthes 27.11.2021, 12:00
Vor der Filmvorführung: Der Naumburger Theaterleiter  Felix Seifert (l.) im Gespräch mit dem Berliner Filmemacher Dirk Szuszies.
Vor der Filmvorführung: Der Naumburger Theaterleiter Felix Seifert (l.) im Gespräch mit dem Berliner Filmemacher Dirk Szuszies. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Der Filmemacher Dirk Szuszies ist seit Wochen auf Deutschland-Tournee. Landauf, landab stellt er in den Kinos den Dokumentar-Film „Walter Kaufmann. Welch ein Leben!“ vor, den er gemeinsam mit seiner Kollegin Karin Kaper gedreht hat. Für zwei Vorstellungen ist der Berliner nach einer Stippvisite im thüringischen Rudolstadt nun auch nach Naumburg gekommen. Und Szuszies erfährt selbst, welche Folgen die neue Corona-Verordnung des Burgenlandkreises hat (wir berichteten): War am Donnerstagabend für die erste Vorstellung nur sein Impfnachweis ausreichend, benötigte er für die Vorführung zu den Schulkinowochen am Freitag zusätzlich einen Test. Für ihn hieß das, anderthalb Stunden im DRK-Testzentrum in der Jakobsstraße zu verbringen. „Es trifft wieder die Kultureinrichtungen, die sehr aufpassen“, so der Filmemacher kritisch.

Sein Dokumentarstreifen schildert das wechselvolle und überaus eindrucksvolle Leben des Schriftstellers, Kosmopoliten und Jahrhundertzeugen Walter Kaufmann (1924 - 2021). Die Vorpremiere des geförderten Streifens fand am 28. September im Berliner Kino „Babylon“ statt - vor rund 500 Zuschauern, wie Szuszies im Kinosaal 3 vor einer eher kleinen Schar berichtete. „Ich freue mich, dass Sie da sind“, sagte der Filmemacher, um anschließend auf einen traurigen Einschnitt zu sprechen zu kommen: „Es hat uns wehgetan, dass Walter Kaufmann die Premiere selbst nicht erleben durfte. Seit 2010 hatten wir den Wunsch, diesen Film zu machen.“ Kaufmann starb im April dieses Jahres und damit nur wenige Monate vor dem Kinostart (siehe auch „Ein Schreibender und ein Reisender“).

Dem Schriftsteller Walter Kaufmann  ist ein Film gewidmet.
Dem Schriftsteller Walter Kaufmann ist ein Film gewidmet.
(Foto: Verleih)

Der Film lässt Kaufmann selbst über sein Leben erzählen. Neun Jahrzehnte in dramatischen und teils dunklen Zeiten, oft zugegen an Brennpunkten der Welt. Der Streifen vereint in einer großen Collage Interview-Passagen, historische Fotos und Filmausschnitte sowie aktuelle Aufnahmen von jenen Orten, an denen der Schriftsteller war. Deutschland, England, Australien, Japan, Kuba, die USA und Israel. In Kaufmanns Rastlosigkeit sieht Szuszies eine Folge seiner Erfahrung, die Eltern durch den Holocaust verloren zu haben. „Für ihn wurde dieser Verlust immer qualvoller - bis zu seinem Tod“, so der Filmemacher. Zudem sieht er die Reisen auch in Verbindung mit Kaufmanns Spürsinn für besondere Ereignisse und Orte. Der Autor sieht in Kuba Fidel Castro und lernt in Warschau die Schriftstellerin Anna Seghers, in den USA die afroamerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis kennen.

Ein Schreibender und ein Reisender

Als Sohn einer polnischen Jüdin 1924 in Berlin geboren, wuchs Walter Kaufmann ab dem Alter von drei Jahren bei Adoptiveltern in Duisburg auf. Am Tag seines 15. Geburtstags verließ er das Dritte Reich mit einem Kindertransport in Richtung England. Dort wurde er wenig später interniert und kam mit dem Schiff „Dunera“ nach Australien, wo er ebenfalls Insasse eines Internierungslagers war. Nach seiner Entlassung schloss er sich dem australischen Militär an.

Wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kam er wieder nach Duisburg, wo er gesicherte Informationen über das Schicksal seiner Adoptiveltern erhielt, die im KZ Auschwitz ermordet wurden. Nach seiner Teilnahme an den Weltjugendfestspielen 1955 in Warschau besuchte Kaufmann die DDR, wo er sich später niederließ und ein Haus nahe Berlin bezog. Weiterhin im Besitz seines australischen Passes, reiste er viel und berichtete für mehrere Zeitungen, unter anderem aus Kuba, den USA sowie dem Libanon. Seine Erlebnisse, auch als Seemann, verarbeitete Walter Kaufmann in seinen zahlreichen Büchern und Reportagen.

1964 erhielt er den Fontane-Preis des Bezirks Potsdam, 1967 den Heinrich-Mann-Preis. Von 1985 bis 1993 war er Generalsekretär des PEN-Zentrums DDR, später des PEN-Zentrums Ost. Mit der Schauspielerin Angela Brunner (1931 - 2011) hat er zwei Töchter. In Defa-Filmen trat er unter dem Pseudonym John Mercator als Schauspieler auf. Er starb am 15. April in Berlin.

Wieder Einbußen durch Corona

Die Vorführung am Freitagvormittag bildete den Abschluss der diesjährigen Schulkinowochen in Sachsen-Anhalt und Thüringen, an denen sich das Naumburger Cineplex seit einigen Jahren beteiligt. Mit der Resonanz auf das Programm zeigte sich Kinoleiter Felix Seifert zufrieden, allerdings nicht mit den tatsächlichen Besucherzahlen: „Wir hatten im Vorfeld Anmeldungen für rund 2.000 Schüler. Die Zahl hat sich aufgrund von Absagen um mehr als die Hälfte reduziert, so dass wir einige Einbußen haben, was sehr schade ist.“ Es gebe bereits die Überlegung, im kommenden Jahr den Termin in eine infektionsärmere Zeit vorzuverlegen.

Vorerst will das Cineplex-Kino unter 2-G-plus-Bedingungen geöffnet bleiben. Eine Woche werde man schauen, wie sich die Zuschauerzahlen entwickeln und dann eine Entscheidung treffen. „Die Hoffnung liegt nun auf den unter 18-Jährigen“, sagt Seifert.

Ab sofort gilt  im Naumburger Cineplex-Kino die 2-G-plus-Regel.
Ab sofort gilt im Naumburger Cineplex-Kino die 2-G-plus-Regel.
(Foto: Archiv/Biel)