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Ehrung Ehrung: Ein Dank für Oma und Opa

Von albrecht günther 20.09.2015, 08:04
Unterschrieben und besiegelt: Ortsbürgermeister Gerd Förster (l.) und OB Bernward Küper unterzeichnen im Juni 2009 in Schulpforte den Eingemeindungsvertrag. Danach wird Kirschfest gefeiert.
Unterschrieben und besiegelt: Ortsbürgermeister Gerd Förster (l.) und OB Bernward Küper unterzeichnen im Juni 2009 in Schulpforte den Eingemeindungsvertrag. Danach wird Kirschfest gefeiert. Archiv (Torsten Biel) Lizenz

Naumburg - Sieben Jahre war Gerd Förster als Ortsbürgermeister von Bad Kösen und Fachbereichsleiter der Naumburger Stadtverwaltung in Amt und Würden. Inzwischen 68, begibt er sich jetzt in den Ruhestand. Grund genug für ein Interview. Mit Gerd Förster sprach Redakteur Michael Heise.

Sie treten nicht wieder als Ortsbürgermeister an, wenn sich ein anderer findet, haben Sie einmal gesagt. Dabei bleibt es wohl.

Förster: So ist es. Am Dienstag wird in Bad Kösen zur Ortschaftsratssitzung ein neuer Ortsbürgermeister gewählt. Man sagt immer, die Jüngeren sollen’s machen, daran will ich mich halten. Der Neue bekommt meine volle Unterstützung. Und er wird jede brauchen, denn eigentlich ist der Job als Ehrenamtlicher nicht zu machen und - ganz ehrlich - miserabel vergütet. Rund 5000 Einwohner, elf ehemalige Ortsteile, denen sich Bad Kösen trotz Eingemeindung immer noch verbunden fühlt - das ist ein weites Feld. Was ich mal eben noch vom Schreibtisch weg erledigen konnte, wird jetzt nicht mehr gehen.

Einer muss die Arbeit trotzdem machen.

Förster: Freilich. Ich bin deshalb der Meinung, dass der neue Ortsbürgermeister unbedingt einen festen Ansprechpartner im Rathaus braucht. Einen, der in der Verwaltung managt. Das habe ich dem OB vorgeschlagen - er zeigte sich dem offen gegenüber.

Ihre Stelle in der Verwaltung wird von Armin Müller besetzt, bislang Leiter des OB-Büros. Wann ist Ihr letzter Arbeitstag?

Förster: Regulär am 4. November, ich habe aber noch ein paar freie Tage und Urlaub, so dass am 29. September Schluss für mich ist. Ich nehme noch Termine war, den letzten am 30. Oktober zur Tagung der deutschen und tschechischen Städte mit hussitischer Tradition.

Zu Beginn Ihrer Dienstzeit ging es gleich in die Vollen. Sie mussten den Bad Kösenern verkaufen, dass die Eingemeindung ohne Alternative ist. Wie kommen Sie damit heute klar?

Förster: Moment. Zunächst war es meine Hoffnung und mein Bestreben, all die Dörfer wieder zurückzugewinnen, die zuvor in Richtung Wethautal und Finne abgewandert sind. Das war vergebens, denn zu Bad Kösen hatten diese kein Vertrauen mehr. Ich will niemandem zu nahe treten, aber da sind vor meiner Zeit erhebliche Fehler gemacht worden. Bad Kösen hat quasi die Munition geliefert, mit der es später erschossen wurde.

Erschossen - Sie meinen den Druck aus Magdeburg, sich nach Naumburg eingemeinden zu lassen.

Förster: Ja. Die Schuldenlast war erdrückend, die Stadt nicht mehr handlungsfähig. Alles lag still. Und jetzt? Wenn alles gut geht, sind die Schulden 2017 weg. Doch die Eingemeindung hat Bad Kösen gespalten. Viele haben das Gefühl, in Naumburg nicht wahrgenommen zu werden. Da reicht schon - auch wenn Naumburg nichts dafür kann -, dass Bad Kösen postalisch verschwunden ist. Ein Unding, das am Selbstbewusstsein nagt und Identität vernichtet. Mir war es wichtig, dass die Eingemeindung wenigstens in der freiwilligen Phase funktioniert. Hätte das nicht geklappt, wäre es uns gegangen wie Bad Suderode, das zwangsweise nach Quedlinburg eingliedert wurde. Die Stadt kümmert sich nicht, der Kurbetrieb ist eingestellt. Und dann als Kontrast Bad Kösen. Das Kurzentrum wird umgebaut, der Bahnhof auch. Es gab wieder Fördermittel für die Stadtsanierung, es wird in den Hochwasserschutz investiert, die Straßen sind gereinigt, ein Baumkataster angelegt - um nur mal einige Beispiel zu nennen. Und noch ein ganz banales: Als Bad Kösen noch selbstständig war, sind das letzte Mal 1998 Blumenkübel bepflanzt worden. Heute sind die Grünflächen in Schuss.

Das Kurmittelzentrum hatte aber schon Alt-Bürgermeister Emus auf der Agenda, der Rat hat dem Plan den Weg geebnet.

Förster: Stimmt. Nur war er nicht zu verwenden, inhaltlich wie finanziell nicht. Doch, ich will mich da nicht auslassen. Jetzt passt das Konzept - und es wird gebaut. Generell gilt für Naumburg: Die Bauplanung dauert ein wenig, aber sie hat Hand und Fuß. Im übrigen schlägt sich die Stadt noch immer mit Bad Kösener Altlasten herum. Bestes Beispiel ist der Seekurpark. Für den gibt es keine Unterlagen, die Rechtslage ist schwammig. Das Dilemma heute kennt jeder.

Hinsichtlich der Wahrnehmung Bad Kösens in Naumburg passt der Umstand, dass der Ortschaftsrat einst durch den Gemeinderat überstimmt worden war, als es um den Bau von Eigenheimen am Galgenberg ging. Demokratie oder Arroganz?

Förster: Rein sachlich - der Meinung bin ich nach wie vor - ist es richtig, dass die Häuser dort entstehen. Eine Überstimmung sollte es aber nicht noch einmal geben. Dafür müssen die Bad Kösener Vertreter im Naumburger Gemeinderat - immerhin sechs - aber mit sorgen und das Gespräch untereinander und in den Fraktionen suchen.

Wenn Sie zurückblicken, was ist nicht gut gelaufen?

Förster: Sicher einiges. Was ich persönlich am meisten bedaure, ist, dass ich es in meiner Amtszeit nicht geschafft habe, die Gräben in Bad Kösen zuzuschütten. Nicht nur die wegen der Eingemeindung, auch die, die es schon immer gegeben hat. Wenigstens ist die Arbeit im Ortschaftsrat nach dem Ausscheiden einiger sachlicher und konstruktiver geworden.

Die Kommunalwahl 2014 erwähnen Sie lieber nicht. Die musste bekanntlich verschoben werden, weil es Schreibfehler auf den veröffentlichten Kandidatenlisten gab. Sie waren der Gemeindewahlleiter.

Förster: Aber ich hätte aufgrund meines Alters diese Funktion nicht wahrnehmen brauchen, wurde aber falsch informiert. Zu viert haben wir die Unterlagen kontrolliert, Namen berichtigt. Zur Veröffentlichung gab es keine Einwände. Danach aber wurden die nichtkorrigierten Daten an die Druckerei weitergegeben. Klar, zum Schluss lag die Verantwortung bei mir. Doch muss man sich nicht auf seine Mitarbeiter verlassen können?

Und die Geschichte in den Bad Kösener Saalbergen, die sie zum ’Deichgraf’ machte, weil mit Ihrem Wissen ungenehmigt im Landschaftsschutz- und Überschwemmungsschutzgebiet ein Erdwall aufgeschüttet wurde - als Schutz vor dem Hochwasser?

Förster: Das war gut gemeint, aber ein großer Fehler. Den will ich nicht entschuldigen, doch schauen Sie jetzt mal dahin. Da liegen Ast- und Grünschnitt, Anwohner haben sich zusätzliche Stellflächen und Einfahrten geschaffen - da sollte der Kreis ruhig noch mal aktiv werden. Ich für meinen Teil habe dessen Auflagen erfüllt. Der Stadt hat das alles keinen Cent gekostet.

Und der verpatzte Start der Motorboote-Saison? Nach der Veröffentlichung dazu in unserer Zeitung waren Sie ungehalten, wollten umgehend ein Statement abgeben, um ’reinen Tisch zu machen’. Und dann haben Sie in letzter Minute absagen lassen. Was ist passiert?

Förster: Man hat mir nahegelegt, die Sache auf sich beruhen zu lasen. Doch heute kann ich mich ja ruhig äußern. Dass es schief gelaufen ist, lag nicht an mir. Es gab wie jedes Jahr eine vorübergehende Genehmigung für die Motorboote. In diesem Falle zum 2. April. Dem folgte in der Regel zum Monatsende nach Prüfung die generelle Genehmigung. Über diese Verfahrensweise war die neue zuständige Behördenmitarbeiterin beim Land wohl nicht informiert - und es kam, weil die Prüfung eben noch nicht durch war, der Stopp. Von meiner Seite jedenfalls waren alle Vorkehrungen getroffen - das belegen auch die Protokolle.

Die Stellungnahme aus der Verwaltung war eine andere, und den Schwarzen Peter hatten Sie.

Förster: Das ging ganz einfach, weil ich im Urlaub war. Das Gesagte und so Veröffentlichte hat nicht gestimmt. Es ist leider so.

Das ist jetzt starker Tobak und passt irgendwie ins Bild, das Sie sich selbst in der Öffentlichkeit gegeben haben. Gern mal in Konfrontation zu anderen aus der Verwaltung sein, auch vor versammelter Mannschaft, dem Ortschaftsrat beispielsweise.

Förster: Das hat jetzt damit nichts zu tun. Aber es stimmt, ich habe mich immer schwer mit Verwaltungsarbeit getan, und es hat mich aufgeregt, wenn’s nicht schnell ging. Ich war immer zügige Entscheidungen gewöhnt, zuletzt 17 Jahre lang als Unternehmer. So ein Reglement wie in der Verwaltung war mir fremd.

Aber Sie haben es ja eine ganze Weile ausgehalten. Was muss denn anders laufen im Rathaus?

Förster: Kommunikation ist alles. Und die funktioniert zwischen den Bereichen nicht optimal. Das merken auch die Bürger. Die einzelnen Ebenen im Rathaus müssen sich Ämter übergreifend regelmäßig zusammenfinden, die Leiter wiederum mit dem Oberbürgermeister. Es gibt zu wenig persönliche Kontakte, vieles läuft über Mails. Das Rathaus hat nicht zu wenige Leute - es macht sich nur zu viel Arbeit.

Thema Asyl und Borlachschule. Weshalb konnte die Bürgerversammlung so aus dem Ruder laufen?

Förster: Zwei Dinge: Ich schreibe mir auf die Fahnen, die Sache an sich in der Öffentlichkeit zu wenig dargestellt und mit den Leuten gesprochen zu haben. Zu vielen braucht man nicht gehen, doch die meine ich nicht. Sondern die, die sich Gedanken machen. Was die Stimmung auf der Versammlung angeht, so ist das auch dem Kurmittelhaus als Veranstaltungsort geschuldet. Dieser blieb als einziger, nachdem der ’Kurgarten’ rechtzeitig, der ’Mutige Ritter’ kurzfristig abgesagt hatten. Und der Zustrom zum Kurmittelhaus musste der Statik wegen begrenzt werden. Deshalb auch die Security und in der Folge die ungehaltene Stimmung draußen. Die Aussage des Landrates aber, der Versammlungsverlauf sei Bad-Kösen-spezifisch gewesen, passt nicht. Auch später in Naumburg hätte die Stimmung schnell kippen können. Generell gilt: Auch Bad Kösen muss Flüchtlinge aufnehmen. Mit Blick auf die Völkerwanderung erübrigt sich die Diskussion, ob die Borlachschule die richtige Unterkunft ist. Deshalb hoffe ich, dass die Spruchbänder in der Nachbarschaft bald verschwunden sind.