Dorfreport Dorfreport: Wo Tante Rüdiger wohnt

Die Zeiten sind hier im Einklang, Geschichte trifft auf Gegenwart. Schon der Kunde macht diese Erfahrung, wenn er das Geschäft der Naumburger Löwen-Apotheke betritt. Neben Medikamenten der Neuzeit und modernen Kassensystemen sieht er die historische Ausstattung der Offizin. Und das Haus am Marktplatz ist für eine weitere Besonderheit bekannt: für sein Apotheken-Museum. Ein erster Raum mit Exponaten entstand in der Mitte der 1930er Jahre, als ein Neubau der Arbeitsräume erfolgte. Nach der Wende baute Apotheker Bernd Hünerbein, Vater des heutigen Geschäftsführers Andreas Hünerbein, die historische Sammlung sukzessive weiter aus. Zur Naumburger Museumsnacht oder bei Anfragen wird das Museum gern für Besucher geöffnet. Es gewährt interessante und informative Einblicke, wie und mit welchen Hilfsmitteln damals Arzneimittel hergestellt worden sind. Neben analytischen Geräten und Gefäßen zur Lagerung gibt es historische Arbeitsplätze zu bestaunen. Auch von der Zeit der DDR, als die Löwen-Apotheke Teil des Pharmazeutischen Zentrums Naumburg und zentraler Herstellungsbetrieb für die Landkreise Naumburg und Nebra war, erzählt die umfangreiche Sammlung. „Meine Eltern haben da sehr viel Zeit und Kraft investiert“, würdigt Andreas Hünerbein deren Wirken, das indes aus dem Vollen schöpfen konnte. Schließlich blickt das heutige Familienunternehmen mit seinen acht Mitarbeitern auf eine weit in die Vergangenheit reichende Tradition.
In den Ratsakten der Domstadt taucht erstmals im Jahr 1510 eine Apotheke auf, die unter Aufsicht des Stadtrates und des Stadtarztes gestanden hat. „Es war damals nicht unüblich, dass sich die Stadt um die Gesundheitsversorgung kümmerte“, bemerkt der 36-jährige Chef. 1601 verkaufte der Rat jene Apotheke, die sich damals am Standort des heutigen Amtsgerichtes befand, an den Apotheker Pankratius Wolff, der auch dem Rat angehörte. 1614 erwarb Wolff von den Erben des Magisters Sixtus Braun, der auch als Bürgermeister wirkte, das Haus Markt 2. 1635 erhielt er das Apothekenprivileg des Landesherren. Sein Grabstein in der Sakristei in der Wenzelskirche erinnert an sein Wirken. Nach einigen Generationen - die Familie Wolff erhielt noch für ein zweites Unternehmen, die spätere Lorbeer-Apotheke, das Landesprivileg - fiel 1744 die Apotheke jedoch in die Hände der Familie Keyl.
In den Folgejahren wechselten Geschäft und Gebäude häufig den Besitzer. Anfang des 19. Jahrhunderts tauchte schließlich der Name „Apotheke zum Goldenen Löwen“ auf. 1820 erwarb der Berliner Ludwig Franz Tuchen diese. Auf dessen Sohn Anton und Enkel Arthur gehen die heutige Fassade des Hauses und die Officin-Einrichtung des Geschäftes zurück, das schließlich 1903 von Emil Dencks übernommen wurde und damit bis heute seit nunmehr 112 Jahren von der Familie Dencks/Hünerbein geführt wird. „Wir sind damit die älteste Apotheke und das älteste Unternehmen in Naumburg mit dem selben Standort“, weiß Andreas Hünerbein durchaus mit Stolz zu berichten. „Die Geschichte zieht sich durch das ganze Haus.“
Für ihn sei das Bewusstsein, ein überaus traditionsreiches Haus zu führen, allerdings keine Bürde. „Ich bin damit großgeworden und habe es bei meinen Eltern gesehen“, betont der promovierte Pharmazeut. Obwohl vorwiegend die Waren der Pharmaunternehmen den Handel bestimmen, werden im Haus noch immer Medikamente mit der Hand hergestellt, beispielsweise Rezepturen gegen Haut- und Augenerkrankungen oder speziell für Kinder abgestimmte Arznei-Mengen. Wichtig sei, so Hünerbein, der Kontakt zum Patienten. Die Löwen-Apotheke gehört heute dem Netzwerk „Hautapotheke“ der Gesellschaft für Dermopharmazie und dem Mitteldeutschen Netzwerk für Gesundheit an und wird regelmäßig durch das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker kontrolliert.
Führungen durch das Museum sind nach Terminabsprache unter der Rufnummer 03445/2 41 10 möglich.

