Dorfreport Dorfreport: Exoten auf der Finne

Meine erste Begegnung mit Siegfried Bergk liegt schon einige Zeit zurück. Es begab sich zu einer Zeit, als Ober-Weinbruder Dieter Hanisch, lange bevor Joachim Llambi die lächelnd vorgetragene Runtermache zelebrierte, ebenso die Weine von Hobby-Winzern bewertete, je nach Fortschritt des Abends sauber auch gern mal zerpflückte, garniert mit seinen ganz eigenen Frohsinn vermittelnden Gluckslauten. Diese ganz eigenen Chancen, Weine auch von Kleinsterzeugern zu probieren, sind leider eingeschlafen. Vielleicht schafft Organisator Peter Glotze aber eine Neuauflage. Die bis vergangene Woche letzte Begegnung gab es bei Andreas Clauß in Bad Sulza, als Weinbotschafter Gunther Emmerlich dort auf seinen alten Schulkumpel traf. Eben jenen Siegfried Bergk, mit dem er in Eisenberg die Schulbank gedrückt hatte.
Und Bergk hat nicht nur einen eigenen Weinberg, er hatte eben auch eine Einzellage bekommen. „Neuengönnaer Wurmberg“ - was für eine Sprachmelodie – wurde ihm für seine Fläche zuerkannt. Die ist, natürlich, historisch belegt und Beleg für eine einst üppige Berebung des Tales der Gönna, die südlich von Dornburg und seinen berühmten Schlössern als linker Nebenfluss in die Saale mündet. Neuengönna ist ein hübsches Dorf im Hinterland. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Den Weinberg hatte ich im Internet versucht zu entdecken. Und „in echt“ war er genau dort. Ein Handtuch an einem Berghang. Eingezäunt. 53 (!) quer zum Hang gepflanzte Reihen zu sechs bis acht Reben. 350 insgesamt. Wie so oft war eine Kneipenrunde schuld. 1986 erinnerte man sich, wovon auch immer selig, der glorreichen vinophilen Vergangenheit „ihres“ Tals, als der Bischof zu Magdeburg den Wein aus dem Gönnatal orderte. Schon damals sollen die in der Börde Herrschenden sich die süßesten Tropfen haben kommen lassen. Da hat sich nichts geändert.
Nun gut, der Kalk-Mergel-Boden mit Lößlehmauflage war irgendwie der gleiche wie in Burgund. Doch die ersten Reben waren Riesling. Von Stephan Seeliger aus Freyburg geliefert, war man ’86 noch gewohnt, zu nehmen, was man kriegt. Silvaner, Traminer, reichlich Bacchus, die roten Regent, Dornfelder und Portugieser füllten so die „Terrassen“.
Zur Wende die erste Lese. Zunächst für den Eigengebrauch, später erfreuten sich Freunde, Verwandtschaft, Nachbarn. Mitte Oktober gingen 15 Liter Federweißer an die Kirmes-Burschen.
In guten Jahren wie diesem landen 300 Liter in den Kellergewölben auf dem eigenen Hofgrundstück. Platz ist da reichlich. Wo früher das liebe Vieh stand, findet man jetzt alles, was man zum Weinmachen braucht. Presse und Entrapper haben einen eigenen Raum, es gibt Platz für Verkostungen. Plastetanks und Ballons haben ihren eigenen Raum, den sie sich nur mit Archiv und Flaschenlager teilen.
Seit Kurzem ist Siegfried Bergk Mitglied in der Interessengemeinschaft Weinbau Jena. Aber eigentlich sind Vereine, in denen andere bestimmen wollen, nicht so seins. Als er sich drei Wochen nach dem 70. Geburtstag das Bein brach, weil ihn ein Holzstamm traf, kam ihm die eigenwillige Anlage seines Weinbergs sehr entgegen. Die Querzeilen waren auch mit Gips erreichbar und zu bewirtschaften.
Die Lage ist nicht ideal. Frost kommt ab und an vorbei. So 2010, als fast die Hälfte der Anlage Schaden nahm. Alle Lücken wurden gefüllt. Silvaner hat da einige Bacchus-Plätze eingenommen. Und es wäre auch zu schade, wenn Weine wie die rote Cuvée keine Nachfolger finden, die ich vom Jahrgang 2014 kosten durfte. Aus den drei roten Sorten Regent, Dornfelder und Portugieser gekeltert, dominiert in der Nase der frische Portugieser, am Gaumen eher Regent. Erstaunlich würzig, rote Beeren, dicke Kirsche, etwas Schokolade und Tabak, bietet der Wein einen langen Nachhall. Respekt.
Über den Hof zieht sich ein schmales Gleis, hier wurde einst der Mist mittels Lore aus dem Stall auf den großen Haufen gekarrt. Heute hat Siegfried Bergk ein kleines, stabiles Gefährt gebaut, mit dem die Enkel über den Hof sausen. An einem Ende der Strecke erblickt man dann auch den Schaugarten auf dem Hof, wo Regent und Solaris andeuten, was sich ein Stück weiter oben am Hang finden lässt. Eben jenes schmale Handtuch, das den Weinbau im Gönnatal in die Neuzeit gerettet hat.
Und dass sich das lohnt, zeigen die durchschnittlichen Öchslegrade von um die 80 in diesem Jahr, als am 1. Oktober gelesen wurde.
Übrigens gibt es einige Kilometer tiefer ins Gönnatal hinein einen zweiten Weinberg, wo etwa 200 Stöcke bewirtschaftet werden. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.