1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. "Die ""anständigen Deutschen"""

"Die ""anständigen Deutschen"""

Von HANS-DIETER SPECK 17.12.2009, 17:41

NAUMBURG. - Zum Mittwochsgespräch des Oberlandesgerichts war Rosendorfer auf Einladung in die Domstadt gekommen, um aus seinem Roman "Die Nacht der Amazonen" zu lesen. "Was für uns ein krönender Abschluss der im OLG in den letzten Wochen gezeigten Ausstellung 'Justiz im Nationalsozialismus' ist", wie OLG-Präsident Wilfried Schubert in seiner Begrüßung feststellte. Im Mittelpunkt des in Bayern spielenden Romans "Die Nacht der Amazonen" steht die authentische Figur des Christian Weber, einem der wenigen Duzfreunde Hitlers und eines der ersten NSDAP-Mitglieder, ein Fiesling, Karrierist und Kriegsgewinnler.

Doch nicht den Weber aus seinem Roman ließ Rosendorfer im voll besetzten Plenarsaal des Oberlandesgericht zu Worte kommen, sondern die parallel zur Handlung erfundenen Personen, die in ihren Dialogen die Banalität des Bösen im Nazi-Deutschland deutlich machen. Handlungsebene ist dabei sowohl die Zeit vor Beginn der Diktatur als auch die Monate nach ihrem Ende. Rosendorfer, der auch ein hervorragender Vorleser seiner Werke ist, zeigt in den Dialogen, wie die Naziideologie immer größere Kreise der Bevölkerung durchdringt, bis schließlich Lüge, Selbsttäuschung und Feigheit überwiegen und so aus Mitläufern Täter werden. Dazu gehört auch der Justizapparat. "Die Justiz ist nicht da, um Gesetze zu machen. Die Justiz ist da, um die Gesetze anzuwenden. Wer die Gesetze macht, wie sie zustande kommen, das geht uns überhaupt nichts an", lässt der Autor seinen fiktiven Senatspräsidenten im Gespräch mit einem Staatsanwalt sagen. Es geht um die Verhaftung eines jüdischen Kollegen. Und die Figuren, Regierungsrat Pflaum und Oberlehrer Bürkel meinen am Stammtisch: Hitler an sich sei ja unmöglich, aber die Richtung nicht ganz falsch und etwas Zucht und Ordnung habe noch nie geschadet.

Und nach 1945? "Was vorbei ist, ist vorbei", setzten Pflaum und Bürkel für sich den Schlusspunkt. Nein, von all den Greueln haben sie nichts gewusst, dafür seien die Nazis verantwortlich und überhaupt, innerlich dagegen waren sie immer. "Ich glaube, dass in Bayern niemand dafür war", sind sich beide sicher. "Wir dürfen nicht zulassen, dass man uns ehrliche Deutsche mit den Nazis verwechselt." Zum Abschluss der mit viel Beifall bedachten Lesung, signierte Herbert Rosendorfer Bücher und unterhielt sich mit Richterkollegen aus seiner Naumburger Zeit. Er sei ja öfters einmal hier, so bereits drei oder vier Mal nach seinem Weggang, verriet er. Die Naumburger Jahre seien für ihn schon sehr wichtig gewesen.