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Kloster und Kaiserpfalz Memleben Der Travel-Scooter-Test - wie barrierefrei ist das Kloster Memleben?

Mit ihrem Umbau soll die Klosteranlage in Memleben nun ein Reiseziel für alle sein, also auch für Seh - und Gehbehinderte. Funktioniert das? Eine Betroffene ist an Ort und Stelle.

Von Michael Heise 08.12.2024, 16:45
Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Besuch des Klosters in Memleben für Melanie Schembor nur mit fremder Hilfe möglich. Jetzt besucht sie die Anlage, die barrierefrei umgestaltet wurde, erneut.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Besuch des Klosters in Memleben für Melanie Schembor nur mit fremder Hilfe möglich. Jetzt besucht sie die Anlage, die barrierefrei umgestaltet wurde, erneut. (Foto: Torsten Biel)

Memleben. - Ob die älteren Mönche des Benediktinerklosters Memleben einst darüber klagten, dass ihnen die Wege und Stufen zu beschwerlich sind, sie diese kaum bewältigen können? Überliefert ist von der Geschichte des im 10. Jahrhundert von Kaiser Otto II. begründeten Klosters viel, das aber nicht. Was bis vor Kurzem jedoch blieb, waren viele Hürden in der Klosterruine, große Höhenunterschiede und kaum zu nehmende Wege für Menschen mit einer Gehbehinderung. Aber die Betonung liegt auf „waren“, denn mit dem weit fortgeschrittenen Umbau des Klosterareals ist in wesentlichen und für Besucher zugänglichen Bereichen Barrierefreiheit hergestellt worden (wir berichteten).

Der umgestaltete Klausur-Hof.
Der umgestaltete Klausur-Hof.
(Foto: Torsten Biel)

Das Museum Kloster und Kaiserpfalz Memleben hat deshalb jetzt eine wichtige Zertifizierung erhalten, eine, die die Anlage als barrierefrei für Menschen mit Gehbehinderung und teilweise barrierefrei für Rollstuhlfahrer ausweist. „Reisen für alle“, so das entsprechende Label des Tourismusverbandes Sachsen-Anhalt, gilt ab sofort und bis vorerst 2027.

Mit dem Travel Scooter durch das Kloster Memleben

Doch was heißt das in der Praxis? Melanie Schembor machte jetzt den Test. Die 32-Jährige arbeitet beim Behinderten- und Inklusionsbeirat des Burgenlandkreises und leidet unter einer Muskelschwäche, die das Laufen so sehr erschwert, dass sie auf ein mobiles Hilfsmittel, in dem Falle einen Travel Scooter, angewiesen ist. Und mit dem fährt sie jetzt problemlos auf dem Klostergelände – vom Parkplatz durchs Empfangsgebäude, den Garten, die Kirchenruine bis hin zum Klausurhof. Vor allem eine Rampe, das Anpassen von Höhenunterschieden und das Verlegen von sich in das Gelände einfügenden Platten und das Verbannen von Kies als Trittfläche machen das möglich.

Behindertenbeauftragte Ines Praßler (l.) und Museumschefin Andrea Knopik besprechen die Situation.
Behindertenbeauftragte Ines Praßler (l.) und Museumschefin Andrea Knopik besprechen die Situation.
(Foto: Torsten Biel)

„Ich kann mich noch gut an die Zeit kurz vor Corona erinnern, als ich das letzte Mal hier war. Ohne Hilfe konnte ich das Kloster nicht besuchen. Das fing an einer steilen provisorischen Rampe an, an der mich jemand wegen des starken Gefälles halten musste, und setzte sich auf den holprigen Wegen fort. Auch auf dem Kies im Klausurhof wäre ohne fremde Hilfe nichts gegangen. Hier hat mich jemand geschoben“, erzählt Schembor. Jetzt sei alles wunderbar und für sie das Kloster wieder eine Reise wert.

Orientierung für Sehbehinderte

Und sie fügt an, dass die Anlage damit im Vergleich zu den meisten historischen Stätten enorm gewonnen habe, da dort Barrierefreiheit nicht gegeben sei. Schembor: „Es liegt nicht an meinem mangelnden Interesse an Burgen, Schlössern oder Ruinen, sondern an den Gegebenheiten vor Ort.“

Wo früher ein nie genutztes DDR-Gebäude stand, entsteht ein Neubau. Er wird einen Fahrstuhl haben.
Wo früher ein nie genutztes DDR-Gebäude stand, entsteht ein Neubau. Er wird einen Fahrstuhl haben.
(Foto: Torsten Biel)

Ines Praßler, Behindertenbeauftragte des Burgenlandkreises, ist ebenfalls in Memleben unterwegs und bestätigt diesen Umstand und lobt im Kloster die sehr unauffällige Umsetzung des Ansinnens. „Das Neugeschaffene fügt sich sehr gut ein, niemand würde erkennen, dass hier extra etwas wegen der Barrierefreiheit künstlich entstand“, so Praßler. Und meint damit auch, dass die Gestaltung Sehbehinderten zugutekomme. „Es gibt innere Leitlinien und klare Abgrenzungen durch Rasen und verschiedene Wege.“

Andere Prioritäten im Denkmalschutz

Museumsleiterin Andrea Knopik macht deutlich, dass ein Umdenken hinsichtlich der Nutzung von Denkmalen zuträglich für die Neugestaltung des Geländes gewesen sei: „Das Machbarmachen hat im Denkmalschutz inzwischen Priorität, nicht mehr die Problembeschreibung, die vieles ausschließt.“ Sichtbar werde das auch, wenn die Umgestaltung des Areals weiter voranschreite und etwa der Neubau entstehe. Dafür musste ein ungenutztes DDR-Gebäude weichen. Wichtigster Aspekt: Das neue Haus wird einen Fahrstuhl haben. Geplantes Bauende: Dezember 2025.

Wegweisend für Bauwerke an der Straße der Romanik

Entscheidend für die Zertifizierung des Klosters Memleben, so teilt die Kreisverwaltung mit, ist gewesen, dass das Gelände über mindestens einen Behindertenparkplatz verfügt, die Ausstellungsräume im Erdgeschoss, die Klosterkirche, der Klausurhof sowie das Refektorium stufenlos zugänglich sind. Des Weiteren sind Türen und Durchgänge mindestens 83 Zentimeter breit, Exponate sind überwiegend auch im Sitzen einsehbar und Außenwege überwiegend leicht begeh- und befahrbar. Auch barrierefreie Sanitäranlagen sind vorhanden. Auch stehen für Menschen mit einer Gehbehinderung mobile und feste Sitzmöglichkeiten zur Verfügung, die während einer Führung genutzt werden können. Und: Mindestens ein Mitarbeiter des Klosters Memleben hat an einer Schulung zum Thema „Barrierefreiheit als Komfort- und Qualitätsmerkmal“ teilgenommen – auch das galt laut Kreisverwaltung als Voraussetzung für eine Zertifizierung.

Neubau im Kloster sorgt für Barrierefreiheit

Vom Tourismusverband Sachsen-Anhalt sagt Manuela Fischer, Koordinatorin von „Reisen für alle“: „Durch die Schaffung der Barrierefreiheit in den Außenanlagen steht Kloster und Kaiserpfalz Memleben nun allen Besuchern offen. Es liefert mit einen wichtigen Impuls für alle Bauwerke an der Straße der Romanik und ist ein großartiges Beispiel dafür, wie man Historie und Moderne gekonnt miteinander verbindet.“ Die barrierefreie Erschließung des Klosters Memleben ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Um auch das Obergeschoss des Ost- und des Nordflügels sowie einen bisher verborgenen Gewölbekeller stufenlos erreichen zu können, entsteht derzeit wie oben erwähnt ein Neubau. Die historische Krypta aus der Zeit um 1200 wird jedoch auch weiter nicht barrierefrei sein. Der Teilnahme an den monatlich stattfindenden Gottesdiensten im Außengelände steht nun freilich nichts mehr im Wege.mhe