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Pandemie Corona-Paukenschlag im Burgenlandkreis: Keine Inzidenz, keine Kontrollen, keine Schreiben mehr

Weshalb Landrat Götz Ulrich gezwungenermaßen die Waffen streckt.

Von Harald Boltze Aktualisiert: 06.04.2022, 10:28
Corona-Test
Corona-Test (Foto: imago images/Lobeca)

Naumburg - Zu einer Pressekonferenz mit „erheblicher Bedeutung“ begrüßte Landrat Götz Ulrich am Dienstagnachmittag. Und er übertrieb damit keineswegs. Denn gleich zu Beginn verkündete er vier einschneidende Veränderungen in puncto Pandemie-Bekämpfung. Erstens: Der Kreis stellt ab sofort keine Quarantäne- und keine Genesenen-Schreiben mehr aus. Zweitens: Das Portal der Kreisverwaltung, bei dem sich Infizierte melden, wird abgeschaltet. Drittens: Der Kreis wird ab sofort keine täglichen Inzidenzen mehr auf seinem Dashboard veröffentlichen. Und viertens: Die Quarantänekontrollen seitens des Ordnungsdienstes werden ebenfalls eingestellt.

„Reale“ Inzidenz knapp 3.000

Woher rührt dieses Strecken der Waffen? Als Verharmloser oder gar Leugner der Corona-Pandemie ist Götz Ulrich schließlich keineswegs bekannt. Liegt es an der Inzidenz, die seit etwa einer Woche rapide gesunken ist? Doch da kommen wir tatsächlich zu einem Kern der Sache. Denn dieser Inzidenzrückgang existiert nur auf dem Papier. Weit über 4.000 Fälle der vergangenen Woche seien wegen der Überlastung des Gesundheitsamtes noch gar nicht eingepflegt worden. Die reale Inzidenz liege deshalb nicht bei reichlich 1.000, wie gemeldet, sondern bei knapp 3.000, so Ulrich. Seit etwa einer Woche gebe es da eine große Diskrepanz.

Kaum noch Instrumente

Man hört also auf, Zahlen zu vermelden, die aufgrund von Überlastung eh nicht der Realität entsprechen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere: Ulrich sieht es nicht ein, dass die Folgen der Lockerungen, die in Berlin beschlossen wurden, „auf dem Rücken der Mitarbeiter unseres Gesundheitsamtes“ ausgetragen werden. Zuletzt habe man an einem Tag 1.000 Neuinfektionen gehabt. Da könne man weder alle Kontakte nachverfolgen noch alle Quarantänen kontrollieren. Gefragt, ob dann nicht die Zahl derer steigen wird, die sich trotz Infektion ins pralle Leben begeben, erwiderte Ulrich, dass dies sein könne. Er verwies aber darauf, dass ab Mai die Isolation von Infizierten laut der Vorstellung des Bundesgesundheitsministers eh nur noch freiwillig sei.

Dass Ulrich die neue Strategie des Bundes, dass sich jeder weitgehend nur noch eigenverantwortlich schützt, kritisch sieht, wurde zwischen den Zeilen deutlich. Mehrfach betonte er, dass man den Kreisen so gut wie nichts im „Instrumentenkasten“ zur Bekämpfung der Pandemie gelassen habe. Deswegen habe er auch nicht vor, demnächst wieder Inzidenzen zu verkünden, selbst wenn der Stau abgearbeitet und die Statistik wieder realistisch ist. „Weil wir aus den Inzidenzen ja eh keine Maßnahmen ableiten können.“

Weitere Todesfälle

Indes appellierte Ulrich an die Bevölkerung, weiter Vorsicht walten zu lassen. Noch immer gebe es täglich Todesopfer im Zusammenhang mit dem Corona-Virus, das keineswegs nur zur Abart einer Erkältung geworden sei. Dass man den freiwilligen Service der Quarantäne- und Genesenen-Schreiben einstelle, habe auch für Ungeimpfte keine schweren Folgen, da man durch einen positiven PCR-Test sowie durch die von den Apotheken ausgestellten Bescheinigungen denselben Effekt erzielen könne.

Dass die Kreisverwaltung in den genannten Punkten entlastet werden muss, begründete der Landrat außerdem mit weiteren dringend anstehenden Themen: den langwierigen Verfahren im Rahmen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, der Unterbringung der Flüchtlinge aus der Ukraine sowie der afrikanischen Schweinepest. Als Vorreiter sieht sich Ulrich auch nicht. Die Schlussfolgerungen seien „unumgänglich“ und von anderen Verwaltungen, etwa in Jena, Erfurt oder Weimar, ebenfalls getroffen worden. Komplett einstellen werde man die Pandemie-Bekämpfung aber nicht. In Einzelfällen dürfe man noch eingreifen, etwa wenn es in einzelnen Pflegeheimen, Schulen oder Kitas zu Extremsituationen käme.