Naumburger Gemeinderat entscheidet mit klarer Mehrheit Blütengrund-Schifffahrt: Bürgerbegehren war unzulässig
Unterschriften hätten nicht gesammelt werden dürfen. Kontroverse Diskussion zur Sondersitzung im Euroville.

Naumburg - Das https://www.mz.de/lokal/naumburg/ob-burgerentscheid-kommt-bleibt-fraglich-3232028?reduced=trueBürgerbegehren zur „Reaktivierung der Schifffahrt an Saale und Unstrut“ war unzulässig. Zu dieser Ansicht kam am Donnerstagabend der Naumburger Gemeinderat mit einer klaren Mehrheit. Von den 32 anwesenden Räten in der Sondersitzung in der Sporthalle des Euroville waren lediglich sieben einer anderen Meinung. Zudem gab es zwei Enthaltungen. Der Rat folgte damit wenig überraschend dem Vorschlag der Stadtverwaltung. Wenig überraschend, weil Daniel Sturm als Vorsitzender der größten Fraktion, der CDU, schon im Vorfeld geäußert hatte, dass die meisten seiner Parteikollegen ablehnend eingestellt seien, was sich dann auch als zutreffend erwies.
Die Stadtverwaltung hatte bereits im Vorfeld eine ausführliche schriftliche Begründung präsentiert. Ein Hauptargument: Die mehr als 2.900 Menschen, die für das Inkrafttreten des im Mai durch den Rat abgelehnten Pachtvertrages zwischen Stadt und Fährmann Manfred Schmidt unterschrieben haben, konnten - da immer nicht öffentlich verhandelt - gar nicht die Inhalte des Vertrages kennen.
OB Müller: Ein „historischer Tag“
In der Sondersitzung sprach zunächst Oberbürgermeister Armin Müller von einem „historischen Tag“ und dem ersten Bürgerbegehren Naumburgs. Die große Beteiligung durch die Bürger wertete er als „erfreulich“, das generelle Ziel, die Wiederbelebung der Schifffahrt am Blütengrund werde „von allen“ geteilt. Dann bekamen zwei der Initiatoren des Bürgerbegehrens das Wort erteilt. Verena Jähn führte zunächst an, dass die Unterschriften fristgerecht und in ausreichender Zahl (auch wenn nach der Kontrolle 2.209 übrig blieben) der Verwaltung eingereicht wurden und auch die inhaltlichen Ausschlussgründe, die die Kommunalverfassung anführt, nicht zutreffen. Sollte der Rat dies mehrheitlich anders sehen, so Jähn noch vor der Abstimmung, werde man mittels eines Fachanwalts Widerspruch einlegen.
Jähns Mitstreiter Henrik Schumann, zugleich Fraktionsvorsitzender der Vereinten Bürgerliste im Rat, versuchte sich anschließend in einem Plädoyer. Seine Sicht: Der Bürger wusste durchaus, was er unterschreibt. Die inhaltlichen Pfeiler „Schifffahrt, Fährbetrieb, Gastronomie“ seien noch in Erinnerung, dass die Details des Vertrags durch eine Verwaltung samt deren Rechtsabteilung sorgfältig ausgehandelt, bevor sie durch die Verwaltung selbst zur Abstimmung gestellt werden, darauf müsse sich der Bürger verlassen können. Auch dem städtischen Argument, dass ein Bürgerbegehren nicht die Belange eines Stadtrates betreffen darf, hielt er mit einer anderen Rechtsauffassung dagegen. Ein offener Widerspruch blieb die Frage, ob der Pachtvertrag vom Mai nur ein Entwurf samt noch zu klärender Fragen, was der Standpunkt der Stadt ist, oder ausverhandelt war, was etwa Günther Weiße (fraktionslos) und Roswitha Leich (BBK/FDP) vehement vertraten.
Schumann und viele ihm folgende Redner beließen es jedoch nicht bei der an diesem Tag relevanten Rechtsfrage „zulässig oder nicht“, sondern verstiegen sich in allgemeinen Debatten zum Blütengrund. So meinte etwa Felix Böcker (CDU), er sei wohl einer der wenigen, die eine Revitalisierung der Schifffahrt im Blütengrund generell ablehne und nannte dafür Umweltschutz-Gründe.
Das sah etwa Günther Weiße ganz anders. Die Schiffe gehörten zur Stadt „wie der Dom“, was ihm gehörig Beifall von der zumindest besser als üblich bei den Ratssitzungen gefüllten Zuschauertribüne einbrachte. Dies wiederum erboste den Ratsvorsitzenden Jörg Schütze. „Wenn Sie nicht still sind, lasse ich sie entfernen“, so Schütze, was ihm Pöbeleien einbrachte. Es war wohl die Folge dessen, dass Schütze schon einige Minuten zuvor ein kurzes, zaghaftes Klatschen mit einer unsouveränen Bissigkeit moniert hatte.
Argumente der Verwaltung „fadenscheinig und konstruiert“
Scharfe Worte fanden auch weitere Räte. Roswitha Leich nannte die Argumente der Verwaltung „fadenscheinig und konstruiert“, „es geht Einzelnen nur darum, ihre Macht zu demonstrieren“, was aber wohl eher Richtung CDU gemeint war. Bad Kösens Ortsbürgermeister Holger Fritzsche (BBK/FDP) sprach davon, dass der Rat das Gegenteil dessen mache, was im neuen Tourismuskonzept gefordert wurde. Und Peter Kroha (Die Linke) schilderte seinen inneren Entscheidungskonflikt, befürchtete aber, „dass wir uns bei einer Ablehnung unglaubwürdig machen“.
Als die Debatte also gerade Fahrt aufnahm, hatte Grünen-Stadtrat Ingolf Andrees, der in den vergangenen Jahren ansonsten eher positiv aufgefallen war, genug. Er stellte den Antrag auf Abschluss der Debatte, was natürlich vor allem die CDU-Stadträte als Chance annahmen, das für sie nervige Thema endlich zu beenden, und es kam zur umgehenden Abstimmung. Dies wiederum brachte Henrik Schumann auf die Palme. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hätten nicht ausreichend Gelegenheit zur Anhörung gehabt, sammelt er ein weiteres Argument, um über den Ausgang der Sitzung juristisch vorzugehen.
Das Thema - so leid es einem für alle, die davon schon lange genervt sind, tut - wird also kein schnelles Ende haben. Wobei - und dieser Blick in die Glaskugel sei erlaubt - die Diskussion noch einmal entfacht wird, wenn herauskommt, dass die Stadt trotz des laufenden Verfahrens um Fährmann Schmidt schon sehr intensiv mit einem Mitbewerber verhandelt. Und sollte dieser dann tatsächlich eine Schifffahrt am Blütengrund anbieten, würde das Duo Schmidt/Schumann womöglich das Feld räumen. Bis dahin fließt aber noch viel... na, Sie wissen schon.