Biografie Biografie: Mit Stadt verbunden

naumburg - „Wir verdanken Walter Hege sehr viel. Seine besondere Art der Fotografie hat den Naumburger Dom weit über Mitteldeutschland bekanntgemacht“, schätzte Curt Becker ein. Im Westchor des Naumburger Doms, unter den berühmten Stifterfiguren, konnte der amtierende Dechant der Vereinigten Domstifter ein interessiertes Publikum begrüßen. Und tatsächlich. Das 1925 erschienene Buch mit Hege-Fotos und Texten von Wilhelm Pinder machte den Dom über Nacht berühmt, sorgte dafür, dass die Stifterfigur Uta zur Ikone wurde, viele Mädchen diesen Namen erhielten. Noch heute profitiert der Naumburger Dom, der zum Welterbe-Antrag von Teilen der Saale-Unstrut-Region gehört, von dieser Bekanntheit und besonderen Aufwertung.
An Abend im Frühjahr angeknüpft
Dem Schaffen des 1893 in Naumburg geborenen Fotografen, der später auch als Kameramann und Regisseur arbeitete, war eine gemeinsame Veranstaltung des Vereins Kunst in Naumburg, des Saale-Unstrut-Vereins für Kulturgeschichte und Naturkunde, der Domkantorei und der Domstifter gewidmet. „Mit ihr wollten wir anknüpfen an den ersten thematischen Abend zu Hege, der bereits im Frühjahr stattgefunden hatte und der der Biografie Heges gegolten hatte“, sagte Kunstvereins-Vorsitzender Tobias Miersch. Als profunden Kenner der Fotografie hatten sich die Veranstalter den Naumburger Fotografie-Experten Hans-Jörg Prager eingeladen.
Präsentation einiger Raritäten
Zunächst jedoch konnte Matthias Ludwig, Vize-Chef des Saale-Unstrut-Vereins, einige Raritäten aus dem Domarchiv präsentieren. Denn bereits vor Hege hatten das Bauwerk und dessen Skulpturen die Aufmerksamkeit der Fotografen geweckt. Ludwig zeigte zwei Fotografien, die Gustav Adolf Schultze (1825-1897) vom Dom seiner Heimatstadt angefertigt hatte. „Sie erreichen nicht diese Ausdruckskraft, die Hege seinen Aufnahmen verleihen konnte“, so Ludwig. Gleiches gilt für die Bilder, die der 1932 vom Regisseur Rudolf Bamberger (1888-1944) gedrehte Dokumentarfilm vom Naumburger Dom zeigt. Eine der Rollen dieses Streifens, der sich ebenfalls im Domarchiv befindet, konnten die Besucher dann bestaunen.
„Dagegen ist Hege von zwei Prämissen ausgegangen: Er hat lediglich bei natürlichem Tageslicht fotografiert, und das vom Standpunkt, den der Besucher im Dom einnimmt, also ohne Gerüst oder andere Hilfsmittel“, charakterisierte Prager die Besonderheit dieser Schwarz-Weiß-Bilder. „Das verleiht den Stifterfiguren eine stärkere Prägnanz, ihre Konturen werden besonders deutlich, das Spiel von Schatten und Licht verleiht ihnen eine besondere Aura“, so Prager weiter. Wie sich die Sicht auf die zwölf Stifterfiguren ändert, wird ein anderer Standpunkt eingenommen, konnten die Besucher danach selbst ausprobieren. Eigens für sie waren an diesem Abend die beiden Treppen des Westlettners geöffnet worden. „Das ist schon etwas Besonderes, so auf Augenhöhe mit Reglindis, Timo und Ekkehard“, sagte eine Besucherin.
Nach dieser Einstimmung leitete Domkantor Jan-Martin Drafehn auf der italienischen Eule-Orgel in der Marienkirche am Dom musikalisch den zweiten Teil des Veranstaltungsabends ein. Auch dieser bot etliche Entdeckungen.
So stellte der Naumburger Kunstwissenschaftler und frühere Sekretär der Landesausstellung 2011 „Der Naumburger Meister“, Guido Siebert, Fotografien aus der Zeit des Expressionismus denen Heges gegenüber. „Hege, der zu den Pionieren der deutschen Lichtbildner-Kunst gehört, hat sich vom Film dieser Zeit inspirieren lassen, hat die gesteigerte Zeichnung der Figuren übernommen“, so Siebert. Er sei damit zum „Bildschöpfer und Lichtformer“ geworden. Zugespitzt sagte Siebert unter Anspielung auf die Verfilmung des berühmten Golem-Romans (1913) von Gustav Meyrink: „Vielleicht ist die Stifterfigur Timo der Naumburger Golem.“ Zwei nebeneinander projezierte Fotografien unterstrichen diese Aussage. In den Bildern Heges, so Sieberts Fazit, gingen die besondere steinkünstlerische Gestaltung der Stifterfiguren und die Fähigkeiten des Fotografen eine besondere Verbindung ein. Wie aber wurde diese technisch erreicht?
Große Brennweiten eingesetzt
Dazu gab Hans-Jörg Prager einen Überblick. „Die Aufnahmen wurden mit einer Plattenkamera gemacht. Große Brennweiten und Belichtungszeiten bis zu 15 Minuten waren notwendig, um trotz des ebenerdigen Standpunktes solche Bilder machen zu können“, erläuterte Prager. Später habe Hege mit Kleinbildkameras gearbeitet.