Asyl Asyl: Neues Kapitel aufgeschlagen

Naumburg - Im Laden riecht es nach frischem Brot und süßem Kuchen. Einige Meter weiter, in der Küche der Pinkwarts, gluckst die Kaffeemaschine. Besonderer Besuch hat sich angekündigt: Andreas Schütze und Irene Rauchbach von der Bäcker-Innung übergeben Bäckermeister Ulf Pinkwart eine Urkunde: jene zum 25-jährigen Meisterjubiläum.
Was der heute 48-Jährige einst für den Titel gebacken hat, weiß er noch heute. „Das war ein geflochtener Brotkorb, natürlich mit Inhalt“, erzählt Pinkwart, der das Geschäft am Naumburger Linsenberg in der vierten Generation führt und von Vater Fritz übernommen hatte. Er und Mutter Christa helfen im Unternehmen noch immer aus. Trotz ihrer 77 beziehungsweise 72 Jahre. „Sie sind noch immer sehr wichtig, und ich vertraue ihnen“, sagt Ulf Pinkwart. Neben den drei weiteren Mitarbeitern packt auch Ehefrau Yvonne im Laden mit an.
Die Tageblatt/MZ-Reihe „Leute von nebenan“ hat eine lange Tradition. In ihr stellen wir Menschen vor, die interessant sind, sich besonders engagieren oder ein spezielles Jubiläum begehen. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Leser können der Redaktion dafür sehr gern ihre Vorschläge unterbreiten, welchen Mann oder welche Frau unsere Zeitung einmal vorstellen und damit auch würdigen soll.
Um 0.30 Uhr beginnt die Schicht in der Bäckerei, bereits um 5.30 Uhr wird das Geschäft geöffnet. Eine alte Tradition, die noch aus der DDR-Zeit stammt, als zu früher Stunde der Schichtwechsel im nahe gelegenen Metallwaren-Betrieb anstand, die Nachtschichtler frische Brötchen und Brot gleich mit nach Hause nehmen konnten. Doch das ist nicht die einzige Tradition, die in der Bäckerei gepflegt wird. Alle Produkte, ob Brot und Brötchen, Kuchen und Stollen, basieren auf alten Familien-Rezepten. „Beispielsweise die Kuchen backen wir, als ob wir sie für eine eigene Familienfeier machen würden“, sagt Christa Pinkwart. Das Mehl kommt aus einer Thüringer Mühle. Qualität, die geschätzt wird. Ehemalige Naumburger decken sich bei einem Besuch in der Heimatstadt hier mit Brot ein. Manchmal wird das sogar ins Ausland verschickt. Die Stammkunden nehmen zudem einen weiten Weg in Kauf, um hier Backwaren zu erwerben. „Sie kommen nicht nur aus Naumburg und Bad Kösen, sondern auch aus Weißenfels, Schönburg und Wethau“, zählt der Bäckermeister auf. Einen anderen Beruf kann er sich heute nicht mehr vorstellen, obwohl auf seiner Wunschliste auch eine Ausbildung zum Koch stand. „Ich kenne es nicht anders. Ich bin doch damit aufgewachsen. Auf alle Fälle wollte ich etwas mit Essen machen“, berichtet er. Seine Lehre absolvierte er dann auch im Familienbetrieb, der 1928 von Julius Rosinski gegründet worden war. Die Bäckerei galt damals als eine der modernsten im Land. Mit dieser Tradition im Rücken hat der Firmenchef keine Angst vor der Zukunft, obwohl sich in den vergangenen Jahren die einstige Vielzahl von Bäckereien drastisch minimiert hat. „Es setzt sich Qualität und Frische durch. Man muss sich behaupten können“, meint Pinkwart. Auf Experimente in Sachen Rezeptur und Sortiment verzichtet er. „Ich glaube, die Kunden bleiben den alten bekannten Produkten treu.“ Eine Filiale in irgendeinem Supermarkt kam mit den Jahren ebenfalls nicht in Frage, obwohl die Pinkwarts die Chance dazu hatten. So produzieren und verkaufen sie immer noch am Stammsitz, wo nach der Wende einige Investitionen in die Maschinen getätigt wurden. So wird beispielsweise nicht mehr mit Kohle, sondern mit Öl geheizt.
Und Ulf Pinkwart ist aus einem weiteren Grund nicht bange, wenn es um die Zukunft des Familienunternehmens geht. Sein kleiner Sohn Alexander scheut sich ob seines Alters von nur fünf Jahren nicht vor der Arbeit. „Ganz im Gegenteil. Er hilft rege mit und bekommt dann natürlich auch eine Belohnung“, erzählt der Vater schmunzelnd. Das ist im Übrigen allerdings keine süße, klebrige Sache, wie Kinder sie meistens mögen: Kümmelsalzbrötchen haben es Alexander angetan, natürlich aus der eigenen Backstube.