Alles, bloß nicht gerade
NAUMBURG. - Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, wie gut es sich einstmals in dieser barocken Villa am Georgenberg leben ließ. Nicht einfach die schiere Größe ist es, die begeistert, sondern der Schnitt der Räume. Mal fünfeckig, mal achteckig, dann wieder ganz normal viereckig. Allesamt schätzungsweise 3,20 Meter hoch, verteilt auf rund 400 Quadratmeter Wohnfläche, den Dachboden nicht mitgerechnet.
1875 von Baumeister Friedrich Gustav Müllerott für zwei Wohnungen gebaut, zu DDR-Zeiten auf fünf Mietparteien aufgeteilt und seit Mitte der 90er Jahre komplett unbewohnt, steht die Villa längst zum Verkauf. Hansjürgen Müllerott, Urgroßenkel und seit der Rückübertragung Eigentümer, würde sie am liebsten selbst bewohnen, doch müsste er dann von Arnstadt nach Naumburg ziehen. "Das habe ich nicht vor", erzählte er jenen, die zum Tag des offenen Denkmals vorbeischauten. Würde Müllerott hier wohnen, wäre es für ihn ein leichtes, die Villa wieder auf Vordermann zu bringen. Sagt er. "Die Bausubstanz ist in Ordnung, der Keller trocken. Größte Positionen sind das Dach und die Installation von Elektrik und Sanitär. Den Rest könnte man selber machen." Was der Laie als unmöglich oder zumindest unbezahlbar charakterisieren würde, scheint für Müllerott ein Klacks. Ob es daran liegt, dass er Museologe ist? Oder schlichtweg nur ein guter Handwerker? Er jedenfalls meint: "Wer sich für die Villa interessiert, sollte anpacken können oder nicht weiter nachdenken." Wie auch immer, dieses imposante, auf dem Gelände eines ehemaligen Benediktinerklosters entstandene Gebäude ist in jedem Falle einzigartig. Einzigartig, weil es - so weiß es zumindest Müllerott - mit seinen acht- und fünfeckigen Räumen und damit gebrochenen Sichtachsen so in Sachsen-Anhalt nicht noch einmal zu finden ist. Lediglich in Eisenach stünde eine ähnlich konzipierte Villa. "Mein Urgroßvater wollte damals nicht einfach gerade Flure und viereckige Räume wie in einer Kaserne, er wollte etwas anderes. Gerade Linien brechen und eine besondere Ästhetik schaffen. Das ist ihm gelungen. Das Haus ist wie ein Gartenschloss", schwärmt Müllerot. Gelingt es ihm, das Haus zu verkaufen, dürfte das mit einem weinenden Auge passieren. Zu sehr ist Müllerot mit dem Anwesen verbunden, zu sehr Museologe. Vielleicht zieht er ja doch nach Naumburg? Wer am Wochenende durch die Räume ging, dürfte sich zumindest eines gewünscht haben: Dass die Villa unbedingt erhalten bleibt.