Ambulant und Tagespflege 74-Jährige Chefin gibt ihren Naumburger „Lebensbaum“ an die Diakonie weiter
Renate Schröder hat mit ihrer Firma „Lebensbaum“ verschiedene Pflegedienstleistungen angeboten. Nun geht sie in den Ruhestand. Die Diakonie übernimmt. Was mit der Tagespflege in Naumburg und Eckartsberga passiert.

Naumburg. - Als der Tageblatt/MZ-Reporter den großen Aufenthaltsraum betritt, spielt Ingrid Walther gerade Rummikub. Sie legt die Steine aus der Hand und sagt: „Vom Tageblatt sind Sie? Das lese ich jeden Tag!“ Die 86-jährige Witwe macht einen fitten Eindruck, war über Silvester in Karlsbad und lebt im Haus ihrer Tochter, die noch arbeitet.

Zweimal in der Woche wird Ingrid Walther morgens zwischen 8 un 8.30 Uhr zu Hause abgeholt und in die Jenaer Straße in die dortige Tagespflege gefahren. „Mir gefällt’s hier. Schwester Anja hält uns auf Trab und sorgt dafür, dass wir auch jeden Tag rausgehen. Und gleich gegenüber kann ich im Edeka meine Einkäufe machen, bevor ich zwischen 14 und 15 Uhr wieder nach Hause gefahren werde“, erzählt Ingrid Walther.
Senioren mit unterschiedlichen Pflegegraden
Spielen und Spazierengehen sind klassische Angebote der Tagespflege, wobei beides vom gesundheitlichen Zustand des jeweiligen Rentners abhängt. Denn die Spanne ist groß. Es reicht von Senioren, die „unter die Leute kommen“ wollen, bis zu Menschen mit hohen Pflegegraden. Die Tagespflege ermöglicht es, zu Hause wohnen zu bleiben und die sich kümmernden Angehörigen wenigstens an den Wochentagen von früh bis Nachmittag zu entlasten.
Im Reigen der hiesigen Anbieter kommt es nun zu einem Wechsel, und dieser hat eine Besonderheit. 74 Jahre, also das Alter, in dem so mancher Besucher ist, zählt nämlich Renate Schröder, die bisherige Geschäftsführerin der Naumburger „Lebensbaum“-Sozialstation. „Und obwohl ich es immer gerne gemacht habe, kann man mit 74 dann doch mal in den Ruhestand gehen und mehr für Kinder und Enkel da sein“, sagt Schröder. Von der Grochlitzer Straße aus hat sie einen ambulanten Pflegedienst und zwei Tagespflege-Einrichtungen, eben jene in der Jenaer Straße sowie in Eckartsberga, geführt. Alle drei Angebote werden - so wie sie sind - nahtlos weitergeführt, denn Schröder hatte in der Diakonie Naumburg-Zeitz einen interessierten Nachfolger gefunden, der den „Lebensbaum“ nun zum 1. Januar übernommen hat.
Mitarbeiter werden übernommen
„Ich bin mir sicher, dass meine fast 25 Angestellten und die über Hundert Menschen, um die wir uns gekümmert haben, bei der Diakonie in guten Händen sind“, sagt Schröder, die in Naumburg keine Unbekannte ist. Schließlich war sie einst Geschäftsführerin des hiesigen Awo-Kreisverbandes, dann Chefin des Nachfolgers namens „Phönix“, ehe es zu einem Streit über Geschäftsanteile und zu einem Gerichtsprozess kam, den Schröder 2011 verlor. Sie startete mit dem „Lebensbaum“ neu – und das erfolgreich bis zum jetzigen Ruhestand mit 74 und der Übergabe. „Alle 25 Mitarbeitenden werden übernommen. Damit verbindet die Diakonie nicht nur die Sicherung der Arbeitsplätze, sondern setzt gleichzeitig auf eine langfristige Perspektive und strategische Weiterentwicklung der diakonischen Angebote in der Region“, sagt Geschäftsführer Robin Knauf.
20 Plätze zählen die Tagespflegen in Naumburg und Eckartsberga. Um eine hohe Auslastung braucht sich Diakonie-Chef Knauf wohl vor allem in Eckartsberga keine Sorgen machen. Während es in Naumburg einige unterschiedliche Anbieter gibt, beispielsweise das DRK, sind diese an der Finne rar gesät. So meint Renate Schröder: „Wir haben in Eckartsberga eine Weile gebraucht, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Doch dann kamen sie von ringsum der Finne“.
Dem Fachkräftemangel getrotzt
Was Schröder und Knauf eint: Sie konnten laut eigenen Aussagen in den vergangenen Monaten und Jahren dem Fachkräftemangel erfolgreich trotzen, immer wieder neue Kräfte gewinnen, mussten selten welche verabschieden. Schröder: „Kontinuität ist in der Tagespflege wichtig, damit ein Vertrauensverhältnis entsteht.“
Keine Nachtschichten, keine Arbeit am Wochenende
Da die Arbeitszeiten dort „montags bis freitags, 8 bis 16 Uhr, ohne Nacht- und Wochenendschichten“ lauten, sei es auch deutlicher einfacher Personal zu gewinnen, als etwa für Heime oder ambulante Dienste, so Knauf, dessen Diakonie im Burgenlandkreis in etlichen Einrichtungen fast das komplette Spektrum des sozialen Bereichs abdeckt. Knaufs Hauptaufgabe: Die jährlichen Verhandlungen mit Pflegekasse, Bundesland und Co. so zu führen, dass am Ende mindestens eine Null steht. Die Kosten, die er für einen Platz verlangen darf, werden von den Trägern auf den Cent scharf kontrolliert. Schließlich werden je nach Pflegestufe teils hohe Kostenübernahmen geleistet.
Oft 500 bis 1.000 Euro Zuzahlung pro Monat
Für die Besucher einer Tagespflege oder deren Angehörige bleibt dennoch ein Eigenanteil, je nach in Anspruch genommenen Tagen und Pflegestufe beträgt diese zwischen 500 und 1.000 Euro im Monat. Transport von und zur Haustür, professionelle Pflege und Hygiene sind genauso inklusive wie eine Partie Rummikub, „wobei ich gerade zweimal gegen Frau Ille und Herrn Heinel verloren habe“, wie Ingrid Walther am Ende unseres Besuch feststellen muss.