Wohnungsbrand in Merseburg Wohnungsbrand in Merseburg: Retter kommen in letzter Sekunde

Merseburg/MZ - Nur wenige Sekunden bleiben Thomas Friedrich, um zu entscheiden, ob er sich in das brennende Haus und damit in Lebensgefahr begibt, um die darin befindlichen Kinder zu retten. „Eigentlich habe ich in dem Moment gar nicht nachgedacht, sondern eher instinktiv gehandelt“, erzählt der 44-Jährige.
Es ist der 17. Februar, gegen 23 Uhr, als eine junge Frau aus dem Nachbareingang verzweifelt an seiner Tür klingelt. „Es brennt, es brennt“, ruft sie immer wieder. Thomas Friedrich und seine Frau stürmen ins Freie. Was sie da sehen, lässt sie zutiefst erschrecken: Dicker schwarzer Rauch quillt aus einem Fenster des Nachbarhauses, im Inneren lodern Flammen.
Ehe der dreifache Familienvater begreift, was genau geschehen ist, drückt ihm ein Mann kurz entschlossen seine Brille in die Hand und stürmt in das brennende Haus. „Warum gehst du da rein? Ist da noch jemand drin?“, ruft Thomas Friedrich ihm zu.
Jener Mann ist Michael Herbst. Er wohnt Wand an Wand mit der Familie, in deren Kinderzimmer der Brand ausbrach. Auch er hatte das Feuer erst kurz zuvor bemerkt. „Erst hatte ich einen lauten Knall gehört, dachte aber an eine Feuerwerksrakete. Doch dann meinte meine Frau, dass draußen alles voller Rauch sei“, erinnert er sich. Da habe er nachgesehen.
Als er auf die Straße kommt, erfährt er, wie dramatisch zugespitzt die Lage ist. „Es sind noch Kinder im Haus“, heißt es. Sofort ist Michael Herbst klar, dass nun jede Sekunde zählt. Die Feuerwehr ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor Ort. „Für mich stand sofort fest, dass ich versuchen muss, die Kinder zu retten.“
Doch eine dicke Rauchwolke stellt sich ihm in den Weg. „Ich holte tief Luft, aber ich brauchte zwei Anläufe, ehe ich in den Hausflur hineingelangen konnte. Ich konnte kaum atmen“, so Herbst. Die Hitze macht ihm sehr zu schaffen und der dichte Rauch versperrt ihm zunehmend die Sicht. „Es hat sich angefühlt, als laufe man in einen dunklen Keller hinein“, beschreibt Michael Herbst. „Es hat gerochen, als würde man alte Gummireifen verbrennen“, erinnert sich Thomas Friedrich.
Es haben sich MZ-Leser gemeldet, die für die vom Brand betroffenen Familien spenden möchten. Wer die Familien ebenfalls unterstützen möchte, kann eine E-Mail mit dem Betreff „Spende für Brandopfer“ an redaktion. [email protected] schicken. Bitte Name, Angebot und Telefonnummer angeben.
Doch Michael Herbst, Thomas Friedrich und ein weiterer Helfer trotzen den Umständen und suchen sich geduckt den Weg zu einer Wohnung in der ersten Etage, in der sich noch eine Mutter mit ihren vier Kindern befindet. Doch die Tür ist fest verschlossen. Mit vereinten Kräften gelingt es dem Fitnesstrainer Friedrich schließlich, sie aufzutreten. Auch hinter der Tür ist die Lage dramatisch.
„Der ganze Flur war voller Rauch, die Mutter panisch. Zwei der vier Kinder lagen auf der Erde und hatten sich eine Decke über den Kopf gezogen“, erinnert sich Friedrich. Die Kinder scheinen unter Schock zu stehen, wollen sich lieber verstecken und die Wohnung nicht verlassen. „Kommt schnell raus, es brennt“, versucht Thomas Friedrich sie zu überreden. Doch die Zeit ist knapp und der beißende Rauch raubt den Helfern immer mehr die Luft zum Atmen.
Kurz entschlossen packen Michael Herbst und Thomas Friedrich die vier Kinder und tragen sie hinaus ins Freie. „Angst um mein Leben hatte ich eigentlich nicht. Nur einmal habe ich mich gefragt, was wäre, wenn es plötzlich zu einer Explosion kommen oder die Decke einstürzen würde“, verrät Friedrich im Nachhinein.
Alles geht gut. Die Männer befördern die Kinder sicher ins Freie. Dann der erleichterte Ruf: „Jetzt sind alle raus!“ Nun kann die kurz darauf eintreffende Feuerwehr übernehmen.
Fünf Minuten - so lange hat es gedauert, die Kinder aus dem brennenden Haus zu retten. Fünf Minuten, die über Leben und Tod entscheiden können. „Eine Minute ist wie eine Stunde da drinnen. Der Rauch und die Flammen haben sich rasend schnell verbreitet“, erzählt Friedrich.
Die Mutter und ihre vier Kinder kommen mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Und auch Michael Herbst muss sich medizinisch behandeln lassen. Niemand traut sich auszumalen, was passiert wäre, wenn die Männer nicht so mutig eingegriffen hätten. Mit ihrer Tat haben sie wahrscheinlich Leben gerettet.
Die Helfer zeigen sich, auf ihre Heldentat angesprochen, bescheiden. Für Thomas Friedrich und Michael Herbst steht fest: „Was wir getan haben, war selbstverständlich. Wir würden jederzeit wieder so handeln.“