Wackelndes Gedenken in Merseburg Wackelndes Gedenken in Merseburg: Weshalb Grabsteine gefährlich werden können

Merseburg - Es ist ein Doppelgrab, an dem Verena Peschke steht. Ihre Hand liegt auf dem Grabstein, dessen Größe bei einer Erdbestattung nicht unüblich ist. Peschke drückt und sagt: „Man braucht nicht viel Kraft um festzustellen, ob der locker ist.“ Und tatsächlich - dieses Exemplar auf dem Merseburger Zentralfriedhof wackelt. Seine Besitzer werden demnächst Post erhalten - mit der Aufforderung, das zu ändern.
Bis zum 30. Mai könnte das noch einigen passieren, bis dahin sind Friedhofs-Mitarbeiterin Peschke und ihre Kollegin mit dem Test der Grabsteine befasst - Friedhofssatzung und Berufsgenossenschaft schreiben ihn vor, über Medien und Aushang wird er angekündigt. Jedes Jahr prüft die Friedhofsverwaltung in Merseburg per Druck mit der Hand (kein Rütteln), ob alle Steine standsicher sind. Immerhin: Auf den vier kommunalen Friedhöfen der Stadt gibt es 2416 Stück. Noch vor rund 15 Jahren seien davon jährlich um die 250 Steine lose gewesen, sagt der Chef der Friedhofsverwaltung, Wolfgang Däne. „Da hatten wir große Probleme.“
Folgen des Kulturwandels
Geändert hat sich das unter anderem mit der Bestattungskultur: Kleinere Steine auf Urnengräbern drohen seltener zu kippen - und mehr als 90 Prozent sind inzwischen Urnenbeisetzungen. Steinmetze seien im Übrigen sehr auf Qualität bedacht, es spreche sich herum, wenn sich bei einem die Grabmale immer lockern. Nicht zuletzt hätten milde Winter vielleicht ihren Teil dazu beigetragen, dass es weniger Probleme gibt, glaubt Peschke. Heute sind es im Schnitt 36 Steine im Jahr, bei denen Handlungsbedarf besteht. 2016 - noch steht die Prüfung in Beuna und bei einem Drittel des Zentralfriedhofs aus - werden es wohl keine 30 sein.
Geprüft wird grundsätzlich nach der Frostperiode, sagt Däne. Nicht nur, aber gerade dann könne sich witterungsbedingt Erde setzen, ein Stein instabil werden. Was das bedeuten kann, malt er am Beispiel aus: dem der alten Dame, die sich bei der mühevollen Pflege eines Grabes mit einer Hand am Stein abstützt. „Wenn so ein Stein kippt, dann kippt er. Den können Sie nicht aufhalten“, sagt er. Und im Ernstfall kippt der dem Besucher eben auf die Füße. Das kann bei 100 bis 300 Kilogramm schweren Grabsteinen - die höchsten existierenden sind auf Merseburger Friedhöfen 1,60 bis 1,80 Meter groß - schlimmere Folgen haben als den blauen Fleck.
Anders als auf manch anderen Friedhöfen bekommen lockere Grabsteine in Merseburg keinen bunten Aufkleber verpasst. Nicht nur, weil der Stein immer noch Eigentum des Nutzers und nicht des Friedhofs ist und unschöne Abdrücke bleiben könnten. „Die werden auch abgezogen und dann auf andere Grabsteine geklebt“, so Däne.
Im Zweifel abgesperrt
Stellt ein Wackelkandidat eine unmittelbare Unfallgefahr dar, wirddas Grab abgesperrt und mit Hölzern gesichert, per Kunststoffschild werden Angehörige zudem gebeten, sich bei der Friedhofsverwaltung zu melden. Einmal musste ein Stein umgelegt werden.
Generell werden die Besitzer lockerer Steine angeschrieben, sagt Däne. Sie bekommen dann eine Frist, bis zu der sie selbst beziehungsweise eine Firma handeln sollen. Wenn das nicht passiert, würde der Stein im Zweifel durch die Friedhofsverwaltung abgenommen und zwischengelagert. „Das ist aber noch nicht vorgekommen.“ Die meisten Angeschriebenen seien sogar dankbar und reagieren sehr schnell. Friedhof, „das ist persönlich“, so Däne. Er ist seit 1992 dabei - Unfälle seien ihm in dieser Zeit nicht bekannt geworden. (mz)
