Vorsicht Kampfhund! Vorsicht Kampfhund!: Rassehund aus Merseburg als gefährlich eingestuft

Merseburg - Maulkorb, Leinenzwang, Wesenstest - der weiße Schoßhund Leon steht nun juristisch auf einer Stufe mit Pitbull-Terriern und anderen Kampfhunden. Weil der sechs Kilogramm schwere Rassehund im Juli 2014 eine Paketbotin in die Wade biss, stufte das Ordnungsamt in Merseburg (Saalekreis) den „Coton de Tuléar“-Rüden als gefährlichen Hund ein. Mit weitreichenden Folgen.
Ende April muss seine Halterin Andrea Werner in Magdeburg eine Sachkundeprüfung ablegen, gewissermaßen die Theorieprüfung eines Hundeführerscheins. Der praktische Teil folgt später. Doch nicht nur das: Die Hundesteuer verzehnfacht sich, künftig muss die Halterin 480 Euro statt 48 Euro pro Jahr bezahlen. „Wenn ich die Prüfungen nicht mache, könnten sie mir Leon auch wegnehmen.“ Sicherstellung heißt das im Amtsdeutsch.
Der Fall steht exemplarisch für eine schwierige juristische Lage, die sich für viele Hundebesitzer und Ordnungsbehörden seit 2009 ergeben hat. Damals trat in Sachsen-Anhalt das Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren in Kraft. Seitdem gilt: Jedem Hund, der zuschnappt, droht der Maulkorb, unabhängig davon, ob jemand verletzt wurde.
130 offizielle Bissvorfälle gab es im Vorjahr. 75 Mal waren Menschen betroffen, 53 Mal andere Hunde, zwei Mal andere Tiere oder Gegenstände. Am häufigsten bissen Deutsche Schäferhunde zu, gefolgt vom Labrador Retriever. In der Statistik taucht auch ein Biss der Rasse Coton de Tuléar auf - das ist Leon.
In diesem Fall wurde die Halterin von der Paketbotin wegen fahrlässiger Körperverletzung angezeigt, die Staatsanwaltschaft ermittelte, ließ die Klage jedoch fallen. Doch das Ordnungsamt ließ nicht locker. Ende 2014 teilte die Behörde der Halterin mit, dass der vier Jahre alte Rüde offiziell als gefährlich eingestuft ist. Seitdem darf Leon nur noch mit Leine und Maulkorb auf die Straße. Selbst auf dem eigenen Grundstück darf der Hund nicht mehr frei umherlaufen, weil dort ein Zaun fehlt.
„Das Gesetz lässt uns kaum Ermessensspielraum, wir müssen in solchen Fällen von Amts wegen tätig werden“, sagt Amtsleiter Folkmar Bothe. Im Einzelfall sei es für die Behörden eine Gratwanderung, im Zweifel aber sei die öffentliche Sicherheit das höhere Gut, erklärt Bothe. Zum konkreten Fall könne er sich wegen des laufenden Verfahrens nicht äußern. Das Landesverwaltungsamt sieht jedoch keine Fehler der Merseburger Behörde.
Der Wadenbiss, der offenbar keine offene Verletzung bei der Botin zur Folge hatte, ist für die Hundehalterin derweil eine teure Angelegenheit geworden. „Knapp 1.000 Euro habe ich für meinen Anwalt und für Verwaltungskosten ausgegeben. Die Prüfungen kosten auch noch mal ein paar hundert Euro“, erklärt Werner. Sie fürchtet zudem den Wesenstest, den Leon noch bei einem Sachverständigen ablegen muss. „Er ist verspielt und muss dort ruhig sitzen bleiben, das wird kaum klappen.“ Unter dem Strich fühlt sich die Halterin der Willkür der Behörden ausgeliefert. „Und jeder, der einen kleinen Hund hält, muss wohl mit demselben Verfahren rechnen.“ (mz)
