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Vision von Groß-Leuna vor 80 Jahren Vision von Groß-Leuna vor 80 Jahren: Warum Merseburg beinahe dem Werk weichen musste

Von Melain van Alst 03.06.2016, 09:43
Auf dieser Karte, eines der Ausstellungsstücke, ist die Vision von Groß-Leuna abgebildet.
Auf dieser Karte, eines der Ausstellungsstücke, ist die Vision von Groß-Leuna abgebildet. Repros

Merseburg - Merseburg, so wie man es heute kennt, hätte nach den Plänen von Hans Adolf von Staden nicht mehr existiert. Es hätte dem expandierenden Chemiepark weichen müssen. Häuser, ganze Stadtteile habe er abreißen lassen wollen, um Platz für chemische Anlagen zu schaffen. Lediglich Neu-Merseburg sollte eine Siedlung mit Wolkenkratzern werden, auf der Gemarkung, wo sich nun Meuschau befindet.

Soweit ist es nicht gekommen. Aber die Vorstellung von Stadens Ende der 30er beruhte darauf, dass die Werke sich bis 1950 vergrößern mussten, wegen des Baus einer Synolanlage, die der Herstellung von synthetischen Fetten dienen sollte. Seine Ambitionen als Produktionsdirektor waren enorm.

Kohlehunger der Leuna-Werke

Die Vorstellungen von Groß-Leuna sind nur ein kleines Kapitel aus der Geschichte des Werkes, das vor 100 Jahren errichtet wurde und bis heute seine direkte Umgebung maßgeblich beeinflusst. Die Ausstellung „100 Jahre Leuna. Alltag, Krisen, Welterfolge“ im Kulturhistorischen Museum in Merseburg schickt den Besucher auf eine Reise durch die Epochen, geht dabei aber nicht vorrangig auf die Entwicklung der Chemie ein, sondern betrachtet das Leben mit und um das Werk.

„Das Geiseltal würde heute so nicht aussehen, wenn das Leuna-Werk nicht so einen Kohlehunger gehabt hätte“, so Kurator Niklas Hoffmann-Walbeck. „Mein Lieblingsstück ist aber ein Brief, in dem sich ein Pfarrer über den Obstklau von Arbeitern aus dem Leuna-Werk beschwert.“

Fluch und Segen

Es sei nicht einfach gewesen, als in der einst ländlich geprägten Gegend in kürzester Zeit ein riesiger Chemiepark entstand. „Das Verhältnis der Leute zum Leuna-Werk war sicher ambivalent“, meint er. Einerseits entwickelte sich die chemische Industrie zum größten Arbeitgeber, andererseits gab es auch schon früh viele Beschwerdebriefe wegen der Umweltverschmutzung. „In einer Art Herbarium hat man deshalb kranke Blätter gesammelt.“

Fluch und Segen zugleich sei das Werk vor allem während des Zweiten Weltkriegs gewesen. Das Ausmaß der Bombenabwürfe durch die Amerikaner wird deutlich durch erstmals in Merseburg gezeigte Ausschnitte aus einem amerikanischen Wochenmagazin.

Darin sind Luftaufnahmen von Leuna, die Bombenangriffe und die amerikanischen Flugzeuge zu sehen. Ein besonderes Highlight ist für Museumsleiterin Karin Heise eine originale Tankstelle, die mit Leuna-Benzin gefüllt war. „Diese Tankstellen sind auch immer wieder auf Fotos zu sehen.“ Auch die Errungenschaften der chemischen Industrie, die den Kleidungsstil prägte, finden sich in der Ausstellung wieder.

Die Ausstellung wird ab Samstag täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet sein. Auch an der Museumsnacht nimmt das Kulturhistorische Museum von 17 bis 23 Uhr teil. (mz)

Museumsleiterin Karin Heise und Kurator Niklas Hoffmann-Walbeck zeigen auch Bilder aus einer amerikanischen Wochenzeitung.
Museumsleiterin Karin Heise und Kurator Niklas Hoffmann-Walbeck zeigen auch Bilder aus einer amerikanischen Wochenzeitung.
Peter Wölk
Ein seltenes Ausstellungsstück: Eine originale Tankstelle, die mit Leuna-Benzin gefüllt war, wird erstmals in Merseburg gezeigt.
Ein seltenes Ausstellungsstück: Eine originale Tankstelle, die mit Leuna-Benzin gefüllt war, wird erstmals in Merseburg gezeigt.
Peter Wölk