Fassungslosigkeit nach tödlichem Sturz Toter Siebenjähriger in Merseburg: Fassungslosigkeit nach tödlichem Sturz: Junge hatte sich auf ersten Schultag gefreut

Merseburg - Er hatte sich so sehr auf die Schule gefreut. Der Siebenjährige war erst am Samstag in die Otto-Lilienthal-Grundschule in Merseburg-West eingeschult worden und wollte am Montag unbedingt pünktlich zu Unterrichtsbeginn in seiner Klasse sitzen. Doch dort kam er nicht an.
Warum hat der Junge nicht einfach das Treppenhaus benutzt? Ließ sich die Wohnungstür nicht öffnen? Hat der Junge tatsächlich versucht, vom Balkon zu springen, um aus der Wohnung zu kommen, oder hat er das Gleichgewicht verloren? Sein Sturz aus der vierten Etage eines Wohnblocks in der Otto-Lilienthal-Straße hatte jedenfalls fatale Folgen, die Anwohner im Viertel sind sehr bestürzt.
„Ich habe ihn verzweifelt schreien und weinen gehört“
„Ich habe ihn verzweifelt schreien und weinen gehört“, erzählt eine ältere Frau, die morgens um kurz nach sieben auf dem Balkon stand und zu dem querstehenden Block hinübersah. Dann habe sie es plötzlich zweimal dumpf aufschlagen hören. „Und ich dachte nur - oh Gott, jetzt ist bestimmt etwas Schlimmes passiert“, erzählt die Frau der MZ. Wie Anwohner berichten, soll eine Frau dem Jungen Erste Hilfe geleistet haben, bis die Rettungskräfte eintrafen.
Die Frau habe sehr geweint, als sie sah, wie Sanitäter und Notarzt um das Leben des Jungen kämpften. Sie habe alles ihr Mögliche getan, habe sie schluchzend gesagt, erzählt eine andere Frau.
„Dann habe ich den Jungen liegen sehen. Sein Gesicht war blutüberströmt.“
Eine ältere Dame aus dem Nachbareingang sagt noch: „Ich hoffe, dass der Kleine durchkommt. Das hoffe ich wirklich.“ Als sie hört, dass es der Junge nicht geschafft hat, schlägt sie die Hände vors Gesicht und ist den Tränen nahe. Sie sei darauf aufmerksam geworden, dass irgendetwas passiert ist, als sie Rettungswagen und Polizeifahrzeuge vor dem Haus stehen sah. „Dann habe ich den Jungen liegen sehen. Sein Gesicht war blutüberströmt.“ Sie sei dann gleich wieder vom Balkon in die Wohnung gegangen. „Das war alles so schrecklich.“
Eine Frau steht ganz erschüttert am Rand der Wiese, wo unterhalb des Balkons im Erdgeschoss die ersten Kerzen aufgestellt wurden. Daneben liegt ein Strauß Rosen, Plüschtiere und ein kleiner Engel. „Ich verstehe es einfach nicht. Wir hatten doch abgemacht, dass ich den Jungen gemeinsam mit meiner Tochter mit in die Schule nehme. Sie waren doch in einer Klasse. Warum hat die Mutter ihn mir nicht gebracht?“ Der Frau, die ein paar Häuser weiter wohnt, laufen die Tränen übers Gesicht. Sie macht sich Vorwürfe. Andere Frauen trösten sie und sagen ihr, dass sie nichts für das Unglück könne.
Warum der Junge an diesem Morgen offenbar allein in der Wohnung war, war zunächst nicht klar
Warum der Junge an diesem Morgen offenbar allein in der Wohnung war, war zunächst nicht klar. Die Mutter des Siebenjährigen hatte nach MZ-Informationen die Geschwister des Jungen in zwei Kitas im Geiseltal gebracht, als das Unglück geschah. Auch für den Jungen hatte sie in Merseburg keinen Hortplatz zur Betreuung vor und nach der Unterrichtszeit bekommen. „Die Mutter hatte sich am 8. August an das Jugendamt des Landkreises gewandt und wegen eines Hortplatzes für ihren Sohn angefragt“, sagte Kreissprecherin Kerstin Küpperbusch auf MZ-Anfrage.
Aufgrund der persönlichen Situation der Frau und mittels intensiven Bemühens der Fachaufsicht Kita habe am 13. August im Einvernehmen zwischen Mutter und Träger der Einrichtung ein Platz zum 1. September zur Verfügung gestellt werden können. „Die Verträge dazu sollten diese Woche unterzeichnet werden.“ Der Kreis sei von dem Vorfall sehr betroffen, sagte der amtierende Landrat Hartmut Handschak. „Das ist das Schlimmste, was einer Familie passieren kann.“
In Merseburg-West hat sich schnell herumgesprochen, dass es an diesem Montagmorgen einen tragischen Unglücksfall in der Otto-Lilienthal-Straße gegeben hat. Viele Menschen bleiben betroffen an der Wiese mit den Kerzen und Plüschtieren stehen. Sie alle fragen sich: Warum? (mz)