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Todesfall in Klinik Todesfall in Klinik: Fatale Fehler bei der Behandlung?

Von UNDINE FREYBERG 01.12.2013, 20:34
Adriana war lebensfroh und hatte noch so viel vor im Leben.
Adriana war lebensfroh und hatte noch so viel vor im Leben. PRIVAT Lizenz

MERSEBURG/MZ - Eine junge Frau aus Merseburg fährt nach einem glücklichen Sommer in die Dresdner Universitätsklinik. Sie ist voller Hoffnung, ist verliebt und freut sich auf eine eigene Wohnung. Eine Knochenmarktransplantation soll jetzt noch ihren Gesundheitszustand verbessern. Die 19-jährige Adriana bekommt Chemotherapie, wird auf die Transplantation vorbereitet. Doch zwei Wochen nach der Transplantation ist Adriana tot, gestorben nach einer bakteriellen Infektion.

Seit elf Jahren krank

Und es bleibt eine Frage offen, die sich die trauernden Eltern stellen: Warum musste Adriana sterben? Fakt ist: Die Staatsanwaltschaft hat ein so genanntes Todesermittlungsverfahren eingeleitet, da auf dem Totenschein „ungeklärte Todesursache“ angekreuzt worden war.

Adriana leidet seit elf Jahren an der sehr komplexen Krankheit Dyskeratosis congenita. Das ist eine seltene genetische Form der Knochenmarkinsuffizienz, und bedeutet, dass das Knochenmark unfähig ist, ausreichend Blutzellen zu produzieren. Patienten mit Dyskeratosis können zum Beispiel frühzeitig an Osteoporose leiden. Bei ihnen besteht außerdem ein erhöhtes Risiko, an Leukämie und Krebs zu erkranken. Eine Knochenmarktransplantation ist für viele oft die einzige Möglichkeit die Krankheit zu heilen.

Den Sommer verbringt Adriana noch in einem internationalen Jugendcamp, wo die MZ sie trifft. Sie spricht offen von ihrer Krankheit: „Mein Arzt sagt, ich hätte Knochen wie eine ältere Frau“. Vor der Knochenmarktransplantation hat sie ein bisschen Bammel, sagt aber zu ihrer Mutter: „Ich werde schon nicht daran sterben.“ Sie legt all ihre Hoffnung in die Transplantation. Auch Adrianas Familie und Freunde hatten auf diese Chance gesetzt. Jetzt sind sie erschüttert und trauern.

Dabei sieht zunächst alles sehr gut aus. Adriana bekommt zunächst Chemotherapie. Anfang September dann zwei Knochenmarktransplantationen. Auch die Knochentransplantation am 6. September verläuft auf den ersten Blick komplikationslos. Doch in den Folgetagen geht es Adriana immer schlechter. Nach Aussagen der Eltern sprechen die Ärzte von einer „Infektion mit Bakterien“. Es sei allerdings unklar, welche es ganz konkret sind. Quälend lange Tage bleibt die Ungewissheit der Eltern, was ihrer Tochter zusetzt. Dann stellt sich heraus, dass Adriana unter einer Hirnhautentzündung und einer Blutvergiftung leidet - verursacht durch Listerien. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Gesundheitszustand der so lebenslustigen jungen Frau bereits dramatisch verschlechtert. Sie wird ins künstliche Koma versetzt. Eine weitere Woche später ist Adriana tot. Möglicherweise war die Listerieninfektion die Todesursache.

Eine solche Infektion ist meldepflichtig. Das hat die Uniklinik Dresden augenscheinlich eingehalten. Denn es gibt eine Information von der Abteilung für Infektionsepidemiologie des Robert-Koch-Instituts in Berlin an das Gesundheitsamt des Saalekreises. „Unsere Tochter lebte noch, als wir einen Brief vom Gesundheitsamt des Saalekreises erhielten. Unter Bezugnahme auf eine Information vom Robert-Koch-Institut wurde auch uns mitgeteilt, dass bei der Untersuchung einer Blutprobe unserer Tochter Listerien festgestellt wurden“, sagt Adrianas Mutter.

Trotzdem bleiben für die Eltern viele Fragen: Warum musste unser Kind sterben? Wie hat sich Adriana mit den gefährlichen Listerien infiziert? Wurde sie dagegen behandelt und wenn ja ab wann? Adrianas Eltern erheben schwere Vorwürfe. „Unsere Tochter könnte vielleicht noch leben, wenn die Ärzte richtig reagiert hätten“, sind sich die Eltern sicher. Sie haben sich an die Dresdner Polizei gewandt und den Fall ihrer Tochter geschildert.

Mauer des Schweigens

Weder Ärzte, das Gesundheitsamt des Saalekreises noch das Robert-Koch-Institut wollen sich zu dem Fall äußern. Ein Mikrobiologe aus einem halleschen Labor, der allerdings namentlich nicht genannt werden will, äußert sich kurz zum Thema Listerien. Der Nachweis könne mehrere Tage dauern und die Krankheit könne sehr schnell tödlich verlaufen. Listerien seien extrem gefährlich, vor allem für geschwächte Personen oder Schwangere. Deshalb sollte man beim Verzehr von rohen Fleisch- und Milchprodukten sehr vorsichtig sein „Und nur mit einer korrekten Listeriose-Diagnose und Antibiotikaresistenztestung können Ärzte auch das genau passende Antibiotikum einsetzen, da sonst die Behandlung unter Umständen nicht anschlägt“, so der Mikrobiologe.

Die MZ fragte beim Universitätsklinikum Dresden nach. Wann war bei Adriana die Behandlung gegen Listeriose begonnen worden? Sind aus Sicht der Klinik alle hygienischen Vorkehrungen eingehalten worden, um jederzeit eine Infektion - egal welcher Art - zu vermeiden? Ist auch die Grunderkrankung der jungen Frau ausreichend berücksichtigt worden?

In der Dresdner Klinik wird jede mögliche Mitschuld am Tod des Mädchens dementiert. „Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden hat sofort nach dem tragischen Todesfall den gesamten Vorgang überprüft. Es gab und gibt keine Hinweise auf eine fehlerhafte Behandlung“, teilt Konrad Kästner, Pressesprecher der Medizinischen Fakultät, mit. Trotzdem habe das Universitätsklinikum den Todesfall selbst bei der Staatsanwaltschaft Dresden zur Anzeige gebracht. Da außerdem nach dem Tode Adrianas auf dem Totenschein „ungeklärte Todesursache“ angekreuzt worden war, hat die Dresdner Staatsanwaltschaft ein sogenanntes Todesermittlungsverfahren eingeleitet. „Dabei soll festgestellt werden, ob ein Verschulden Dritter am Tod des Mädchens vorliegt“, sagt Oberstaatsanwalt Lorenz Haase auf Anfrage. Gebe es einen Anfangsverdacht für ein Verschulden Dritter, werde gegebenenfalls ein Sachverständiger eingeschaltet.

Adrianas Eltern warten unterdessen auf Nachricht von den Ermittlungsbehörden. Zurückbringen wird das ihre Tochter nicht. „Aber wir wollen, dass das alles aufgeklärt wird. Meine Tochter ist für mich erst tot, wenn wir wissen, was tatsächlich passiert ist“, sagt die Mutter und schaut dabei auf ein Bild ihrer Tochter, das sie mit einem strahlenden Lächeln zeigt.

Ärzte im OP-Saal
Ärzte im OP-Saal
dpa/Symbol Lizenz