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Stadtrat Merseburg Stadtrat Merseburg: AfD wählt überraschend Striegel zum Vorsitzenden und düpiert CDU

Von Robert Briest 06.07.2019, 06:00
Sitzung des Stadtrates Merseburg
Sitzung des Stadtrates Merseburg Katrin Sieler

Merseburg - „Sie sind der Dorn zwischen zwei Rosen“, frotzelte der Ratsälteste Wolfgang Merbach, als er am Donnerstagabend den Stuhl im Präsidium des Merseburger Ratssaals für den frisch gewählten Vorsitzenden Roland Striegel räumte. Die launige Bemerkung war aber wohl eher als antiquiertes Kompliment für die beiden neuen Stellvertreterinnen Jutta Walther (Linke) und Susanna Weber (CDU) gedacht, denn als Spitze gegen den parteilosen 65-Jährigen, der auf der Liste der Grünen in den Rat eingezogen war.

Merbachs Partei, die CDU, hatte auch ohne Dorn einen schmerzhaften Abend im Rat erlebt, verlor sie doch neben dem Ratsvorsitz, den bisher Hans-Hubert Werner inne hatte, auch noch den Chefposten im wichtigen Finanzausschuss. Das lag an der fehlenden Mithilfe von Fortuna und der AfD. Diese war bei der Wahl zum Stadtratsvorsitzenden, der Königsmacher. Ebenso wie CDU und die gemeinsame Fraktion von SPD und Grünen bringt sie es auf neun der 40 Sitze im zur Hälfte durchgewechselten neuen Stadtrat – verhalf damit Striegel senior im zweiten Wahlgang zum mit 20 Stimmen letztlich deutlichen Erfolg gegen CDU-Frau Susanna Weber und den Linken Michael Finger (beide neun).

Ein Abstimmungsverhalten, das auf den ersten Blick überraschte

Ein Abstimmungsverhalten, das auf den ersten Blick überraschte. Schließlich ist Striegels seit Jahren antifaschistisch engagierte Sohn, der Grünen-Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel, ein rotes Tuch für viele Rechte. Doch die Wahl am Donnerstag hatte ein Vorspiel am Dienstag. Auf der konstituierenden Sitzung des Kreistags verweigerte nämlich die CDU – wohl entgegen anderslautender Absprachen – die Unterstützung für die Bewerbung von AfD-Mann Daniel Schneider auf den Posten des zweiten Stellvertreters des Kreistagsvorsitzenden. Die Rechten erwiesen sich nun als nachtragend und stimmten für Striegel und nicht für die Christdemokratin Weber.

Die musste auch im folgenden Kampf um den ersten Stellvertreterposten erkennen, dass sie keine Chance auf Erfolg hatte und zog nach der ersten Wahlrunde ihre Bewerbung zurück. Erst im dritten Versuch, bei der Abstimmung zum zweiten Stellvertreterposten konnte sie sich deutlich gegen AfD-Bewerber Rüdiger Abitzsch durchsetzen. Die rechte Fraktion blieb damit als einzige der drei großen ohne Sitz im Ratspräsidium. Der Preis der Rache.

AfD-Stadtrat: „Wahlen sind frei.“

Die AfD zahlte ihn gern, wie man Fraktionschef Daniel Wald nach der Sitzung ansehen konnte. Mit schelmischen Grinsen erklärte er: „Wahlen sind frei.“ Der Landtagsabgeordnete hatte auch deshalb gut Lachen, weil es das Glück mit seiner Fraktion gutmeinte. Da sich die drei großen Fraktionen nicht einigen konnten, wer welchen Ausschussvorsitz übernimmt, musste das Los entscheiden, wer zuerst wählen darf. Losfee Striegel zog die AfD, die prompt den wichtigen und auch von der SPD begehrten Finanzausschuss beanspruchte, den nun Abitzsch übernehmen soll. Die CDU wählte anschließend Wirtschaft- und Kultur, die SPD Bildung und Soziales. Für die Linke blieb der Ordnungsausschuss über.

Durch dieses Prozedere führte nun Striegel. Der 65-Jährige zählt zu den Erfahrenen im Rat und ist eher ein ruhiger, bedachter Redner. Das machte er gleich in seinen ersten Worten als Ratsvorsitzender deutlich: „Ich bin für dieses Amt nicht zwingend geboren, aber möchte mich der Verantwortung stellen.“ Striegel ließ zwei Wünsche folgen. Der eine, dass man „in Zeiten teilweise überharter Debatten“ im Merseburger Stadtrat „den richtigen Ton finden“ möge. Der andere: „Ich hoffe, dass wir hier viel zu lachen haben, auch wenn die Kassen leer sind.“ (mz)