Fahndungen und Co. auf Twitter So zwitschert Halles Polizeidirektion

Halle (Saale)/Merseburg - Es ist eine Fahndung in einem etwas anderen Ton. Nicht das übliche „Polizei bittet um Mithilfe“ samt „sachdienliche Hinweise bitte an ... oder jede andere Polizeidienststelle“. Stattdessen steht auf Twitter (zu Deutsch: „Zwitschern“) zum Fall eines mutmaßlichen Einbrechers, der zweimal von Überwachungskameras gefilmt wurde: „Kann uns jemand einen persönl. Termin bei diesem Herren verschaffen?“
Verfasst hat den Text Sebastian Schultzik, Polizeikommissar und seit September 2016 verantwortlich für den Twitter-Kanal @PolizeiPDSued der Polizeidirektion (PD) Süd in Halle. Und damit auch dafür, dort den Ton zu treffen. Das, räumt Schultzik ein, kann ein Spagat sein. „Man ist ja auch Behörde.“ Allerdings sollen die Tweets bei Lesern hängen bleiben und weiter verbreitet werden. Dafür könne - abhängig vom Anlass natürlich - im Netzwerk auch mal eine andere Formulierung her.
27-Jähriger war zuletzt Streifeneinsatzführer im Saalekreis-Revier
Jemanden, der eben die sozialen Netzwerke und ihre Sprache kennt, hatte die PD im vergangenen Jahr gesucht, sagt Sprecher Ralf Karlstedt - und in Schultzik gefunden. Der 27-Jährige war zuletzt Streifeneinsatzführer im Saalekreis-Revier, hat aber schon lange ein Faible für Computer allgemein und soziale Netzwerke, wie er selbst sagt. Als ihm der neue Job angeboten wurde, „da war ein Leuchten in seinen Augen zu sehen“, erinnert sich Karlstedt.
Schultzik hat einen Twitter-Kanal übernommen, der seit Januar 2016 existierte, bis dahin aber eher selten und vor allem für Einsätze bei Fußballspielen oder dem halleschen Laternenfest genutzt wurde. Sein erster eigener Tweet im Namen der Ordnungshüter? Zeigte ein Bild von einem kultigen Polizei-Trabi. Was folgte, war schon anspruchsvoller: eine interaktive Karte zum Sachsen-Anhalt-Tag, die Parkplätze, Shuttle-Verkehr, Bühnen oder auch den Polizei-Standort listete. Seitdem ist einiges passiert. Die Zahl der Tweets steigt, die der Follower ebenfalls. Mehr als 1.900 haben inzwischen die Nachrichten der PD abonniert.
Mehr Text als die 140 Zeichen, die Twitter erlaubt, hätte er mitunter gern
Einen Täter festzunehmen, sagt der junge Polizeibeamte fünf Monate nach dem Start als „zwitschernder“ Beamter, vermisse er schon Mal. Sein jetziger Job fülle ihn aber neu aus: kreativ arbeiten zu können, sich jeden Tag in etwas Neues hereinzudenken. Mehr Text als die 140 Zeichen, die Twitter erlaubt, hätte er mitunter gern. Und manches ist erklärungsbedürftig – warum Fahndungsfotos nicht direkt auf Twitter erscheinen etwa. Das hat rechtliche Gründe, weil der Dienst eine Fremdplattform ist.
Welche Meldung überhaupt per Twitter verbreitet wird, ist eine Einzelfallentscheidung. Jeden Wildunfall zu posten würde die Follower wahrscheinlich langweilen, sagt Schultzik. Manchmal dürfen es dafür neben ernsthaften Infos zu Unfällen, Sperrungen, Prävention oder Fahndungen auch die scheinbar nebensächlichen Dinge sein. Die meisten „Gefällt mir“-Klicks hat bisher ein Bild mit einem Streifenwagen im Sonnenuntergang erhalten, das ein Kollege aus dem Saalekreis ihm geschickt hatte. Auch der Tag des Lächelns mit einem Foto von Hund Tyson und einem Polizeiteddy war beliebt. Zuletzt hat Schultzik auf dem Weg zur Arbeit selbst für ein Winterbild angehalten - gepostet mit dem Hinweis „Fahren Sie vorsichtig“.
Polizeisprecher Ralf Karlstedt: „Wir stehen noch am Anfang“
Ob es künftig Aktionen wie den Twitter-Marathon der Berliner Polizei geben wird, die 24 Stunden lang fast alle Notrufeinsätze getwittert hat, lassen Karlstedt und Schultzik offen. Es gebe erste Vorstellungen, aber noch nichts Spruchreifes. „Wir stehen noch am Anfang“, so Karlstedt. Viel Zeit hat Schultzik deshalb auch mit etwas verbracht, was öffentlich nicht zu sehen ist: einem Konzept, wie die Polizei auf Twitter bei Ernstfällen wie dem Münchener Amoklauf oder dem Berliner Attentat agiert.
Der erste „echte“ Polizeieinsatz, bei dem Schultzik live vor Ort getwittert hat, war im Übrigen im Saalekreis: Es war der dramatische Brand mit drei Toten in Bad Dürrenberg. (mz)