Siegfried Gallas aus Braunsbedra Siegfried Gallas aus Braunsbedra: Von der Chemie zur Münze

Braunsbedra - Mit dem ganzen Papierkram, den so ein Unternehmen verursacht, hat sich Siegfried Gallas auch noch nach 25 Jahren nicht angefreundet. Das überlässt er seiner Frau. Auch was die moderne Kommunikation betrifft, hat er einen eigenen Kopf: Handy? Fehlanzeige! „Den Luxus leiste ich mir, dass ich nicht immer und überall verfügbar bin.“ Und bisher hat es dem gebürtigen Merseburger auch nicht geschadet.
Das Münzpräge-Geschäft in Braunsbedra floriert - seit exakt 25 Jahren. Und das wird groß an diesem Wochenende gefeiert: „Ich werde 60 Jahre, bin auf den Tag genau 36 Jahre mit meiner Frau verheiratet und führe seit 25 Jahren das Geschäft.“ Und das mit Erfolg: Gallas’ Münzen aus massivem Silber sind europaweit begehrt. In der Werkstatt entstehen Auftragsarbeiten für Polen, Kroatien oder Frankreich. Wer vom Bundesland Thüringen für besondere Verdienste den Staatspreis erhält, der hält eine Münze aus Braunsbedra in der Hand.
Doch bis Gallas wusste, dass die Münzen sein Leben bereichern, war es ein weiter Weg. Begonnen hat alles mit den mahnenden Worten des Vaters. „Er wollte unbedingt, dass ich was Vernünftiges lerne“, erinnert sich Gallas. Und weil er nun einmal im Chemie-Dreieck lebte, wurde er Chemiefacharbeiter und verdiente „anständiges Geld“ in Lützkendorf. Aber das Schichtsystem war nichts für ihn. Die Chemie stimmte einfach nicht. Deswegen studierte er nach Feierabend Kirchenmusik in Halle. Doch auch der Traum einer Musikkarriere blieb ein Traum, als er kurz vor der letzten Prüfung zur Armee eingezogen wurde. „Die hatten aber keine Freude mit mir“, erinnert sich Gallas lachend, der sich kurzerhand nach seiner Zeit bei der Armee zu einer Lehre zum Orgelbauer entschied. Aber auch das sollte nicht der Traumjob werden - sein Sohn Christoph kam auf die Welt. Als Orgelbauer war Gallas viel unterwegs und das Geld stimmte auch eher nicht.
Das nächste Jahrzehnt arbeitete Gallas deshalb als Tischler für die Stadt Merseburg und führte ein Doppel-Leben als selbst ernannter Revolutionär. „Ich war Mitglied einer kleinen illegalen Revolutions-Gruppe. Wir haben die Zeitung Roßbacher Reformer gegründet - ich wurde sogar Chefredakteur“, erinnert er sich mit glänzenden Augen. Doch das Blatt fiel zur Wende der Sozialen Marktwirtschaft zum Opfer. Gallas handelte deshalb vorübergehend mit Gemüse - das beste Geschäft, das er je in seinem Leben gemacht hat, sagt Gallas, der sich aufgrund dieser Erfahrungen selbstständig machen wollte.
Zusammen mit Bruder Reinhard wurde kurz nach dem Mauerfall deshalb der Trabi vollgetankt für eine Reise in den Westen. „Wir dachten uns, wir fragen drüben mal, wie man das mit der Selbstständigkeit macht.“ Und der Plan ging sogar auf. Die beiden trafen dort auf jemanden, der ihnen erklärte, wie ein Schlüsseldienst-Unternehmen zu führen sei.
Über die Jahre baute Gallas den Schlüsseldienst aus, während sein Bruder noch ein Taxi-Unternehmen hochzog. Während der eine Bruder Leute chauffierte, lernte der andere alles über Münzherstellung, Siegel, Wappen und Gravuren. Innerhalb der neuen Bundesländer hat sich Gallas mit seinen handwerklichen Fertigkeiten und Kenntnissen unersetzlich gemacht, denn er ist der einzige, der hauptberuflich Münzen prägen kann.
Wie wertvoll das Handwerk ist, hat auch Sohn Christoph begriffen. Auch wenn er quasi zu seinem Glück gezwungen werden musste: „Als er in der neunten Klasse Maurer werden wollte, habe ich ihm widersprochen. Ich wollte, dass er was Vernünftiges lernt.“ Also wurde Gallas junior Münzpräger. „Seine Lehre hat er aber nicht bei mir gemacht.“ Junior und Senior sind mittlerweile ein eingespieltes Team und konnten sogar schon Gallas’ Enkel Georgios für das traditionelle Handwerk begeistern. „Wenn er alt genug ist, werden wir ihm erklären, dass er von uns was Vernünftiges lernen kann.“
