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Siedlung Neumark wird 90 Siedlung Neumark wird 90: Kohle, Bomben und Touristen

Von Oliver Müller-Lorey 04.12.2015, 21:13
Neumark besteht seit 90 Jahren. In dieser Zeit hat sich für die Bewohner vieles verändert.
Neumark besteht seit 90 Jahren. In dieser Zeit hat sich für die Bewohner vieles verändert. Peter Wölk Lizenz

Braunsbedra - 90 Jahre alt wird die Siedlung Neumark, ein Ortsteil von Braunsbedra, am Wochenende. 90 Jahre - das ist für Orte keine lange Zeit, und dennoch hat sich in dem knappen Jahrhundert viel für die Bewohner verändert.

Vom Bergbau zum Touristenort

Heute liegt die Siedlung am idyllischen Geiseltalsee, früher am Rande einer der größten Kohlegruben der DDR. Wo heute Touristen zum Infozentrum und Aussichtsturm pilgern, machten sich Bergleute noch vor 30 Jahren auf den Weg zu ihrer schweißtreibenden Arbeit.

Hans Wagner hat all die Veränderungen selbst miterlebt. Seitdem er drei Jahre alt ist, lebt er in der Siedlung Neumark. 80 Jahre hat er hier verbracht. Als Kind spielte er in den Kohlegruben, als Schüler versteckte er sich während des Kriegs in zu Bunkern umfunktionierten Stollen, während die Flieger Bomben fallen ließen.

Altes Dorf weggebaggert

„Mein Großvater hat die Kohle noch mit der Picke gehackt“, erzählt Wagner. Geboren ist er im Dorf Neumark, einem Ort, den es mittlerweile nicht mehr gibt und der nicht mit der gleichnamigen Siedlung zu verwechseln ist. Das Dorf fiel dem Braunkohletagebau zum Opfer. Übriggeblieben ist nur die Siedlung, die nun 90 Jahre alt wird. Von dort stammt übrigens auch Landrat Frank Bannert (CDU).

Viel Zulauf bekam die Siedlung in den 1960er Jahren, als die Bewohner des abgebaggerten Dorfes ihre Häuser verlassen mussten. „Für die alten Leute mit Eigentum war das schlecht. Aber für die Jungen war es Glück. Die haben eine neue Wohnung bekommen“, erinnert sich Gerhard Jäkel, der ebenfalls seit langem in der Siedlung wohnt. Dort gab es, anders als im alten Dorf, warmes Wasser in der Wohnung. „Das kannten wir nicht“, sagt Jäkel.

Geschäfte verschwinden

Doch die größte Veränderung habe die Siedlung im Krieg erfahren. „Es ist viel ausgebombt worden, bestimmt 60 Prozent“, sagt Wagner, dessen Haus den Bomben auch zum Opfer fiel. In der Nähe befand sich eine kriegswichtige Schmierölfabrik, die unter Beschuss genommen wurde. Manche Bombe verfehlte die Fabrik und traf die Siedlung. Noch heute werden regelmäßig Blindgänger gefunden.

Nach dem Krieg ging die Veränderung weiter. Die Häuser wurden bis Anfang der 60er Jahre zwar wieder aufgebaut - gemauert, nicht als Plattenbauten. Doch die Einkaufs-Situation wurde immer schlechter. Früher hatten ein Bäcker, Fleischer, Schuster, Friseur, ein Drogerist, Schneider und Zahnarzt ihre Geschäfte und Praxen in der Siedlung Neumark. Nichts davon sei übriggeblieben, sagen die Männer. Sie fahren nun nach Braunsbedra zum Einkaufen.

Touristen kommen

Doch es gibt auch positive Veränderungen: „Der Tourismus ist im vollen Gange“, sagt Jäkel. Sobald das Wetter gut sei, fülle sich der Ort. „Die Autokennzeichen kommen aus allen Richtungen“, meint auch Harry Lang, ebenfalls Neumarker. Der Anteil der Bergleute ist in der Geschichte immer weiter gesunken.

Heute ist die Siedlung auch für junge Familien interessant. „Es gibt viele junge Leute hier“, sagt Jäkel. Er sehe jeden Morgen knapp ein Dutzend Kinder, die in den Bus steigen - die Zukunft der erst so jungen Siedlung Neumark.

Im Besucherzentrum und der Kirche in der Siedlung Neumark findet am Samstag ab 14 Uhr eine Jubiläumsveranstaltung statt. Außerdem wird eine Ausstellung gezeigt. (mz)

Alte Neumarker: Gerhard Jäkel, Harry Lange und Hans Wagner (von links).
Alte Neumarker: Gerhard Jäkel, Harry Lange und Hans Wagner (von links).
Peter Wölk Lizenz