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Huntington-Erkrankter aus Querfurt  Schwerkranker André aus Querfurt: Wie ein Palliativ-Verein aus Halle seinen Wunsch vom Fliegen erfüllt

Von Katrin Löwe 16.10.2017, 10:23
André Elster sitzt mit Pilot Lothar Faßhauer vom Leipziger Fliegerclub in der Maschine. Für ihn geht mit dem Flug ein Wunsch in Erfüllung.
André Elster sitzt mit Pilot Lothar Faßhauer vom Leipziger Fliegerclub in der Maschine. Für ihn geht mit dem Flug ein Wunsch in Erfüllung. Peter Wölk

Merseburg/Querfurt - Es ist nicht einfach ein kleines Modellflugzeug, das Stephan Lieb vom Palliativ-Verein Halle am Samstagabend in einem halleschen Lokal überreicht. Was er dem 35-jährigen André Elster aus Querfurt in die Hand drückt, steht für mehr. Es ist das Symbol für die Erfüllung eines Wunsches, den ein Schwerkranker hegt: André soll fliegen.

Keine 24 Stunden später hebt er gemeinsam mit seiner Mutter Ines Hellwig, Stephan Lieb und Hobbypilot Lothar Faßhauer auf dem Merseburger Flugplatz ab. Über der Stadt scheint die Sonne, als sich die viersitzige Zlin Z-43 zu einem halbstündigen Rundflug in die Lüfte hebt.

André Elster aus Querfurt erbte die Huntington-Krankheit von seinem Vater

Elster leidet unter der vererbbaren Nervenkrankheit Chorea Huntington, heute auch nur Huntington-Krankheit genannt. Die ersten Symptome zeigten sich bei ihm schon im Alter von 13 Jahren, erzählt seine Mutter. Konzentrationsschwächen, Nervosität, Vergesslichkeit, Probleme in der Schule - die heute 56-Jährige ahnte schnell, was das ist. „Andrés Vater hatte die Krankheit schon“, sagt sie.

Chorea Huntington ist eine vererbbare Nervenkrankheit. Die Bezeichnung Chorea (griechisch: Choreia - Tanz) leitet sich von den für die Erkrankung typischen Symptomen ab: unkontrollierte Bewegungen, ein torkelnder Gang oder Grimassenschneiden. Sie wurde früher auch erblicher Veitstanz genannt. Das Wort Veitstanz (Tanzwut) ist eine Übersetzung des mittellateinischen Begriffs Chorea Sancti Viti. Bei der Krankheit werden die normalen Bewegungsabläufe durch nicht kontrollierbare Bewegungen zeitweilig unterbrochen. Dies kann an einen Tanz erinnern.

Heute werden mit Chorea plötzlich einsetzende, vielgestaltige unwillkürliche Bewegungen verschiedener Muskeln bezeichnet. Die Häufigkeit von Chorea Huntington beträgt fünf bis zehn Fälle pro 100 000 Menschen. Damit handelt es sich um eine der häufigsten neurologischen Erbkrankheiten. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Ihr Sohn machte noch das Abitur, eine Berufsausbildung in einem Reha-Zentrum. War dann aber schon zu krank. Als die Diagnose im Alter von 20 Jahren durch einen Gentest bestätigt wurde, die Gewissheit schwarz auf weiß da war, sei das furchtbar gewesen, erinnert sich die Mutter. Heute sagt sie: „Man lernt damit umzugehen. Jammern hilft nicht. Wir müssen das Beste draus machen, für ihn und für uns.“ In Momenten, „wo er einen anlächelt, ist alles gut.“

Schwerkranker André Elster aus Querfurt braucht rund um die Uhr Pflege

Ihr Sohn ist heute rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen, wird von ihr zu Hause gepflegt. Er sitzt im Rollstuhl, wird über eine Magensonde ernährt. Sprechen kann er nur noch einzelne Worte. Täglich hat der 35-Jährige Therapien, einmal in der Woche sei er in der Tagespflege, so Hellwig. Medikamentös behandelt werden könnten nur Symptome – etwa das starke Zittern, das er bis vor zwei Jahren hatte, oder Schlafstörungen. Die Krankheit ist unheilbar, der Verlauf bei seiner Form mit dem Ausbruch im Kindesalter schneller, so Hellwig. „Aber André ist ein Kämpfer.“

Palliativ-Verein Halle erfüllt schwerkrankem André Elster aus Querfurt seinen Wunsch

Ein Kämpfer, der schon immer mal erzählt hat, dass er fliegen möchte. „Es hat sich nie ergeben.“ Dass der Traum nun wahr geworden ist, hängt mit dem 2002 gegründeten Palliativ-Verein Halle zusammen, der ehrenamtlich Schwerkranke, Sterbende und deren Angehörige begleitet. Über dessen Kooperationspartner, das ambulante Palliativzentrum in Bad Lauchstädt, entstand der Kontakt zu André und seiner Mutter.

Seit diesem Frühjahr begleitet Vereinsmitglied Stephan Lieb (63) sie – mit Gesprächsangeboten, Unternehmungen, die Angehörigen auch mal den Rücken freihalten sollen. Lieb war Krankenpfleger, arbeitet heute als Betreuer in einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung. Seit drei Jahren richtet der Palliativ-Verein, in dem er stellvertretender Vorsitzender ist, ein Benefiz-Volleyballturnier aus. Auf einem davon wurde gesammelt, um Menschen wie André einen besonderen Wunsch zu erfüllen. Als er ihn kennengelernt habe, so Lieb, habe er gedacht: „Das wäre der, der es verdient hat, so einen Wunsch erfüllt zu bekommen.“

Rundflug über Querfurt: Andrés Traum vom Fliegen wird wahr

Mit Hilfe des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) wurde Elster am Sonntag nach Merseburg gebracht und von mehreren Männern ins Flugzeug gehoben. „Das ging besser als ich dachte“, sagt seine Mutter. Punkt 13.35 Uhr setzte sich die Maschine des Leipziger Fliegerclubs in Bewegung. Auf 600 Meter Höhe ging es nach Querfurt, über das Wohnhaus, dann nach Braunsbedra und über den Geiseltalsee zurück. André Elster war die Begeisterung nach der Landung anzusehen. Sein Kommentar: „Geil!“ (mz)