Schuldnerberatung in Merseburg Schuldnerberatung in Merseburg: Darum tappen viele in die Schuldenfalle

Merseburg - Über mangelnde Aufträge könne sie sich nicht beklagen, sagt Gerlinde Pech. Die Schuldnerberaterin mit dem irgendwie so passenden Namen sitzt in ihrem Büro in der Merseburger Preußerstraße, in ihren Händen hält sie den MZ-Beitrag von Mittwoch, aus dem hervorgeht, dass jeder achte Sachsen-Anhalter verschuldet ist.
Bundesweit weisen nur Berlin und Bremen eine noch höhere Schuldnerquote auf als Sachsen-Anhalt. Und innerhalb des Bundeslandes gibt es große regionale Unterschiede.
Mit 17,13 Prozent ist Halle die Schuldenhauptstadt des Landes und sticht auch unter den Großstädten in Ostdeutschland hervor. (nvm)
Seit 2007 versucht sie denen, die, gelinde gesagt, Pech mit ihren Finanzen hatten, aus der Schuldenfalle zu helfen. Ihre Klienten könne man nicht in eine Schublade stecken, sagt Gerlinde Pech. „Das sind Arbeitslose, aber auch berufstätige Menschen aus allen Berufsgruppen, quer durchs Beet“, sagt sie. Und neben Rentnern sitze sie auch bemerkenswert vielen Jugendlichen gegenüber. „Ich habe schon junge Leute kennengelernt, die fünf oder sechs, manche sogar zehn Handyverträge abgeschlossen haben“, sagt die freie Schuldnerberaterin und zieht die Augenbrauen weit nach oben. „Sie schließen immer wieder neue Verträge ab, nur um ans neueste Handymodell zu kommen. Und dann bleiben sie auf den monatlichen Vertragskosten sitzen.“ Selbst Gerlinde Pech scheint noch erstaunt. Einmal, sagt sie, habe sie einen ihrer Kunden gefragt, warum er noch einen Vertrag abgeschlossen habe, obwohl er bereits verschuldet gewesen sei. Die Antwort überrascht kaum: „Um genauso cool zu sein wie die Kumpels.“
Bestellungen im Internet
Eine weitere Verführung sei das Bestellen im Internet, sagt Pech. Auf vielen Seiten könne ohne Vorkasse bestellt werden, Rechnungen blieben liegen und verschwinden in Schubladen. Dies sei auch bei Rentnern beliebt. Hinzu kommen ehemals Berufstätige, die beispielsweise nach langer Krankheit in die Arbeitslosigkeit abdriften, Kredite aus Immobilien abzubezahlen haben und so ins Minus rutschen. Und oft verschulden sich auch Eltern oder Großeltern, die ihren Kindern und Enkeln aus der Not helfen wollen und irgendwann selbst zahlungsunfähig werden.
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Schuldnertrend für den Saalekreis minimal positiv entwickelt. Mit 18 569 Menschen im Vergleich zu 18 730 aus dem Jahr 2014 sind die Zahlen leicht gesunken. Dies geht aus dem aktuellen Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor. Anders sieht es jedoch mit der Schuldnerquote aus, die in Prozent angegeben wird und sich aus der Zahl der Überschuldeten im Verhältnis zur Bevölkerungszahl zusammensetzt. Sie ist um 0,04 Prozentpunkte von 11,45 im Vorjahr auf 11,49 Prozent gestiegen. Daraus wird klar: Der scheinbare Rückgang der Überschuldungsfälle ist eine Konsequenz des Bevölkerungsrückgangs, der auf eine derzeit gute Konjunktur und relativ geringe Arbeitslosenzahlen trifft. Dies erklärt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in ihrem Atlas. Mit einer Quote von 15,61 Prozent sticht Merseburg im Vergleich zu anderen Städten wie Bad Dürrenberg, Leuna oder Schkopau hervor.
„Private Überschuldung in Sachsen-Anhalt verhärtet sich“, sagt Martin Plath, Prokurist von Creditreform Halle, der Mitteldeutschen Zeitung. Als Faktoren, die diesen Prozess beschleunigt haben, nennt er den „kreditfinanzierten Konsum der vergangenen Jahre und auch die niedrigen Zinsen, die Sparen unattraktiv machen“. (mz)