"Schöffen können Richter überstimmen" "Schöffen können Richter überstimmen": Wie funktioniert Arbeit mit den Laienrichtern?

Halle (Saale) - Werner Budtke ist nicht nur Sprecher des Amtsgerichts Halle, sondern dort auch für die Schöffen zuständig. Robert Briest erklärt er, wie die Zusammenarbeit zwischen Laien- und Berufsrichtern funktioniert.
Im Prozess führen oft die Berufsrichter das Wort. Welche Rolle spielen Schöffen?
Werner Budtke: Sie nehmen an der Verhandlung genauso teil wie Berufsrichtern. Letzteren obliegt die Vorbereitung der Verhandlung. Die Schöffen erfahren meist erst durch die Verlesung der Anklageschrift, worum es geht.
Warum?
Budtke: Sie sollen so unbeeinflusst von Vorkenntnissen ihre Entscheidung treffen anhand des Bildes, das sie sich in der Verhandlung vom Sachverhalt machen. Wer einmal dort gesessen und widersprüchliche Aussagen gehört hat, der weiß, wie schwierig es ist, zu entscheiden, wem man glauben soll. Die Berufsrichter helfen ihnen bei Auslegungsproblemen. Gemeinsam versucht man dann, den Sachverhalt so darzustellen, dass er der Wahrheit ähnelt. Es gibt ja selten Filmaufnahmen der Tat. Bei der Feststellung des Sachverhalts haben die Schöffen das gleiche Gewicht wie Berufsrichter. Gegebenenfalls findet eine Abstimmung statt
Darüber wem man glaubt?
Budtke: Genau. Da kann sich zwischen Schöffen und Richtern durchaus unterscheiden. Wenn man sich nicht einigen kann, gilt: im Zweifel für den Angeklagten. Hat man den Sachverhalt festgestellt, ist es Aufgabe der Berufsrichter festzustellen, welche Straftatbestände überhaupt in Frage kommen. Die Schöffen kommen erst bei der Strafzumessung wieder ins Spiel. Die Richter sagen dann, wie der gesetzliche Strafrahmen ist und welche Faktoren bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Dann erfolgt wieder eine Abstimmung. Jeder hat eine Stimme. Es wird ja oft gedacht, dass Schöffen nur Beiwerk sind. Ich kann aus Erfahrung sagen: Sie haben eine eigene Meinung, vertreten die mitunter vehement. Es kann daher sein, dass man sich nicht einstimmig auf ein Strafmaß einigt. Da können die Schöffen die Richter auch überstimmen.
Wie häufig kommt das vor?
Budtke: In Einzelfällen. Die Vorstellungen liegen meist nicht weit auseinander. Wenn ein Schöffe Extremforderungen stellt, muss ich ihn auf ein Maß zurückholen, das die Rechtsprechung zulässt.
Wollen Schöffen härter urteilen?
Budtke: Es gibt eher viele Fälle, wo die Schöffen ein milderes Urteil als der Berufsrichter fällen würden.
Aus Ihrer Richterperspektive: Bewährt sich das Schöffensystem?
Budtke: Grundsätzlich ja. Es gibt viele Fälle, wo man allein etwas übersehen würde. Ein Vorteil ist auch, dass ich die Verantwortung nicht allein trage, wenn ich jemanden einsperre. Und wenn wir schon im Namen des Volkes urteilen, dann sollte das Volk auch daran beteiligt werden. (mz)