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Schicksal eines Arbeitslosen Schicksal eines Arbeitslosen: «Du bist nur noch eine Nummer»

Von Petra Wozny 03.05.2002, 12:10

Mücheln/MZ. - "Früher habe ich von solchen Schicksalen aus der Zeitung erfahren." Nein, dass er selbst einmal "dazu" gehören würde, nein, das wollte Klaus-Dieter Tietze nicht glauben. Seit elf Jahren gehört er dazu, zum deutschen Heer der Arbeitslosen. Ist einer von Millionen und fühlt sich "wie eine Nummer", wie er wütend sagt. "Du hast das Gefühl, als würdest du nur noch verwaltet. Das geht an die Nieren."

Tietze stammt von der Küste, hat in Wismar chemische Technologie studiert und blieb in Krumpa vor vielen Jahren hängen. In Mücheln wird er sesshaft, hat hier seine Familie. Seine Frau arbeitet im Kraftwerk, er ist Schichtleiter bei Addinol. 1991 kommt für ihn das Aus. Da ist er gerade mal 42 Jahre. "Ich war fassungslos. Hätte mir das mal einer gesagt, dass ich nach der Entlassung nie wieder so richtig den Fuß in die Tür bekomme, hätte ich den für verrückt erklärt."

In der Tat: Tietze hat in seinem Beruf als studierter Chemiker bisher auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Job bekommen. Doch sagt er: "Ein bisschen Glück hatte ich dennoch, ebenso wie etliche andere Männer, die mal hier ihre Arbeit hatten."

Und spricht die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen an, die er seit dem über das Arbeitsamt bekam. Ja, die sind seiner Ansicht nach "ein Glückstreffer" gewesen. Während mancher seiner Kollegen noch einen festen Job bei Addinol hatte, ging er in der Kolonne, die mit dem Abriss der Anlagen beschäftigt wurde. "Da kommst du dir doch ein wenig komisch vor." Weh getan habe es, "seinen" Betrieb zu demontieren.

Erst dachte Tietze nur an eine Überbrückung mit der ABM. Doch ebenso wie für mehr als 50 Männer dauert die Beschäftigung auf dem zweiten Arbeitsmarkt Jahre. Er verhehlt nicht, dass es zuhause zu finanziellen Einbußen kam, die mit Anstrengungen kaschiert wurden. Nach fünf Jahren Abrissarbeit wird er wieder in die Arbeitslosigkeit geschickt.

"Ich dachte, jetzt haste die Phase hinter dir und es geht endlich wieder los." Der Ingenieur versucht es mit der Selbstständigkeit und will Lexika an den Kunden bringen - kein guter Versuch, weiß er heute. Wieder liegt er auf der Straße. Wieder macht er Druck auf dem Arbeitsamt, wieder bekommt er bei Addinol eine ABM. Bis November vergangenen Jahres.

Nichts geht mehr seit dem. Denn nun erfuhr er, dass die Abrissarbeiten - "es ist noch viel zu tun", nicht mehr über den zweiten Arbeitsmarkt in Angriff genommen werden. Tietze macht wieder Druck, will wissen, warum nicht. "Es geht doch nicht nur um mich. Ich kenne Dutzende, die tagaus, tagein auf eine Chance warten und arbeiten wollen. Und dort liegt sie auf der Straße", sagt er erzürnt. Bei der Grundstücksfonds Sachsen-Anhalt GmbH in Magdeburg erfährt die MZ vom Geschäftsführer Klaus-Dieter Theise: "Wir hatten bis zu 700 Leute in ABM, die mit 80 Prozent über das Arbeitsamt gefördert wurden. Natürlich haben wir wieder den Antrag gestellt. Der ist aber vom Amt abgelehnt worden." Und der Mann glaubt: "Die scheinen jetzt richtig auf die Bremse zu treten." Für ihn als auch für den Müchelner Klaus-Dieter Tietze unverständlich, da etwa ein Viertel der Altanlagen noch abgerissen werden muss. Arbeit für etwa zwei Jahre noch, schätzen sie.

Im Arbeitsamt hält man sich bedeckt. ABM-Maßnahmen seien auf dem Addinol-Gelände nicht mehr vorgesehen, heißt es kurz aus der Presseabteilung. Und man ergänzt: Die GSA habe sich zu diesem Thema auch seit Februar nicht mehr gemeldet. Tietze will nicht aufgeben. In den Norden, seine ehemalige Heimat zu gehen, hat er auch schon überlegt. Doch dort gebe es ebenso wenig Arbeit wie in Sachsen-Anhalt. Im Westen gäbe es Jobs, aber die Wahrscheinlichkeit für einen Mann über 50 beschäftigt zu werden, sei auch gering. Also geht er weiter aufs Arbeitsamt und fährt bei Addinol vorbei. "Kleinbei gebe ich nicht", sagt er kämpferisch.