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Sammelzwang Sammelzwang: «Das kann so nicht weiter gehen»

Von Jörg Müller 09.08.2002, 17:25

Merseburg/MZ. - "Muss erst etwas schlimmes passieren, damit die Behörden aufwachen und tätig werden?" Bärbel Knoblauch und Gerd Körner aus dem Nelkenweg und Thomas Körner aus der Thomas-Müntzer-Straße in Merseburg sind verzweifelt. Die drei Geschwister fürchten um ihre eigene und die Gesundheit anderer, sie sehen ihre Wohnhäuser in Gefahr - und das alles schon seit Jahren. Mehrfach haben sie städtische und Kreis-Ämter darüber informiert - geändert hat sich nichts. "Das kann so nicht weitergehen", sagt Gerd Körner. "Es muss doch eine zuständige Stelle geben, wenn die öffentliche Sicherheit derart bedroht ist."

Es geht um einen Mann in der Nachbarschaft, der seit langem am so genannten Vermüllungssyndrom leidet, einer psychischen Krankheit (siehe Hintergrund). Der Rentner bewohnt die eine Hälfte des Doppelhauses, in dem Familie Körner/Knoblauch lebt. Wie sie sich erinnern, habe alles mit einem Badeofen angefangen. Bestimmt 20 Jahre sei das jetzt her, und in dieser Zeit hat der Mann, der jeden Tag mit dem Fahrrad unterwegs ist, Unmengen gesammelt: Das ganze Grundstück ist meterhoch mit Gegenständen aller Art bedeckt, zum Beispiel Baumaterialien, großen Plastiksäcken und alten Bettgestellen. Zur Haustür führt nur noch ein schmaler Pfad, manchmal müsse er aber auch durchs Fenster klettern, berichtet die Familie.

Nun ist es keineswegs so, dass sie mit ihrem Nachbarn nicht auskommen würden - im Gegenteil. "Er ist ein netter Mensch, und man kann mit ihm über alles reden - nur nicht über dieses Thema. Dann bekommt er Panik", so Frau Knoblauch. "Er sagt ja selbst: ,Ich weiß, dass das krankhaft ist, aber ich kann eben nichts dagegen machen.''" Und im Prinzip hätten sie ja auch mit seinem Sammelzwang überhaupt kein Problem. "In einem freien Land kann jeder nach seiner Fasson glücklich werden."

Wenn da nur nicht die Gefahren für die Öffentlichkeit wären, die ihrer Ansicht nach von dem Grundstück und dem Haus ausgingen. So lagerten dort alte Propan- und Schweißgasflaschen sowie Kanister, "ob diese alle wirklich entleert sind, ist nicht nachprüfbar". Der Mann selbst habe zudem von Chemikalien und Autobatterien gesprochen. Das Haus sei in einem "erbärmlichen baulichen Zustand", Dachziegel lösten sich, "der Schornstein droht jeden Moment umzukippen". Innen sei alles so voll gestellt, dass nicht einmal Feuerwehr und Rettungskräfte hinein gelangten, als der Mann vor einiger Zeit einmal vermisst wurde. "Er hat mich auch mal gefragt, ob sich bei mir die Decken auch so durchbiegen würden", so Gerd Körner. An den Wänden der eigenen Haushälfte gebe es Wasserschäden.

"Das Grundstück ist ein hervorragendes Biotop für viele Tierarten geworden, leider vor allem für Ratten und Gartenschädlinge", nennt die Familie ein weiteres Ärgernis. Zwar hätten die Behörden Anfang des Jahres eine Rattenbekämpfung angeordnet. Zweifelhaft sei aber, ob der Kammerjäger Haus und Grundstück überhaupt habe betreten können. Derzeit hätten sich zwei Zentimeter große, schwarze Käfer ausgebreitet, die bisher noch nicht vorgekommen seien.

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«Das kann so nicht weiter gehen»