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Saalekreis Saalekreis: Wenn die eigene Mutter sagt: «Wer sind Sie denn?»

Von ELKE JÄGER 02.08.2011, 15:30

MERSEBURG/MZ. - Frau Z. ist heute zum ersten Mal gekommen. Als sie erzählt, wie sich das Verhalten ihres Mannes langsam, ganz allmählich, geändert hat, nicken die anderen in der Runde. Ja, diese Phase kennen sie. Die Anzeichen ähneln sich, ebenso die Reaktionen - auf beiden Seiten. Hier die beginnende Verwirrtheit, die man verbergen möchte, dort die Verwunderung, Ungeduld und wachsende Besorgnis: Kann das Alzheimer sein?

Der Austausch ist wichtig

"Jeder von uns könnte Geschichten erzählen, die hält man nicht für möglich", bekennt Reglindis Schütze, Sprecherin der Gruppe. Davon, wie sich ein geliebter Mensch im Wesen völlig verändert. Den nichts mehr interessiert, was ihn einst begeisterte und der die Familie nicht mehr wahrnimmt. Der Sätze sagt wie "Wer sind Sie eigentlich?", "Du hast meine Sachen versteckt!" oder "Meine Tochter hat mir alles weggenommen."

Das ist hart und oft schwer zu verkraften. Angehörige von an Alzheimer Erkrankten geraten häufig an die Grenze ihrer Belastbarkeit; psychisch und physisch. "Deshalb ist es für mich auch so wichtig, mich hier mit anderen Betroffenen austauschen zu können", erklärt Frau Schütze ihre Beweggründe. In der Gruppe kann sie über alles reden, ohne das Gefühl zu haben, sich schämen zu müssen. Man tauscht sich aus, wie man in bestimmten Situationen reagiert. Und, ganz wichtig: Was man gegenüber Ämtern, Behörden und Ärzten beachten muss. Vorsorge, Patientenverfügung, Pflegestufen sind gängige Themen.

Vor sieben Jahren hat sich die Selbsthilfegruppe von Angehörigen von Alzheimer-Patienten in Merseburg gegründet. Bis 2010 war Siegfried Ohme ihr Sprecher, auch noch, als seine schwerkranke Frau verstorben war. Dann übernahm die Dürrenbergerin Reglindis Schütze das Amt. Die gegenwärtig zwölf Mitglieder treffen sich jeweils am letzten Mittwoch im Monat in Räumen des Paritätischen Verbandes in der Sixtistraße 16a in Merseburg. Jeder, der ebenfalls betroffen ist, kann kommen. "Das kostet erst mal Überwindung, weil man nicht gern über das Thema spricht", wissen alle hier.

Meist bleiben sie unter sich, ab und an laden sie auch Gäste ein. Zum Beispiel die Medizinpädagogin Thekla Batereau, die ihnen hilft, die Kranken besser zu verstehen. "Man erhält einfach einen anderen Blick auf die Situation", meint Frau S. aus der Gruppe. "Es ist schon so, dass die Angehörigen mehr an dieser Krankheit tragen als die Erkrankten", steht für Thekal Batereau fest. "Es ist ein 24-Stunden-Job." Aber die Patienten spürten durchaus, dass mit ihnen etwas nicht stimmt - auch wenn sie es nicht oder schwer artikulieren können.

Heilbar ist Alzheimer nicht, das macht die Situation nicht leichter. Aber man könne den Fortgang aufhalten. "Ganz wichtig sind", rät die Referentin, "täglich wiederkehrende Rituale. Feste Zeiten vom Essen bis zur Körperpflege. Die Patienten fürchten sich vor jeder Veränderung." Genau das erschwere möglicherweise Entscheidungen über stationäre Pflege.

Mehr Öffentlichkeit nötig

Auch Frau Schütze kennt das. "Der erste Schritt, zum Beispiel bei der Tagespflege, ist der schwerste. Und man hat immer ein schlechtes Gewissen." Genau so ist es, stimmen die anderen zu. Dass Alzheimer nach und nach aus der Tabuzone ins öffentliche Gespräch kommt, finden die Betroffenen nur gerecht und an der Zeit.

Selbst unter Hausärzten sei das Wissen über diese Erkrankung teilweise mangelhaft. Und vielen Patienten nicht anzusehen, ergänzt Frau R. und schildert einen Arztbesuch mit langer Wartezeit. "Was machen wir denn hier?" habe ihre Mutter aller zehn Minuten laut und sichtlich aufgeregt gefragt und gehen wollen. Die skeptischen Blicke der anderen musste die Tochter aushalten.

Informationen in der Selbsthilfekontaktstelle Saalekreis, Sixtistraße 16 a in Merseburg Tel.03461 / 34 18 72, E-Mail

[email protected]