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Nach tödlichen Unfällen Saalekreis: Müllabfuhr darf nicht mehr in jede Sackgasse fahren

Von Robert Briest 12.01.2018, 10:32
Im Saalekreis wird derzeit überprüft, wo Müllfahrzeuge noch rückwärts fahren dürfen. In Leuna-Kröllwitz fahren Müllfahrzeuge derzeit rückwärts in die Sackgasse. Torsten Jäger weist dabei den Fahrer ein.
Im Saalekreis wird derzeit überprüft, wo Müllfahrzeuge noch rückwärts fahren dürfen. In Leuna-Kröllwitz fahren Müllfahrzeuge derzeit rückwärts in die Sackgasse. Torsten Jäger weist dabei den Fahrer ein. Peter Wölk

Merseburg - Eine enge Straße in einem Wohngebiet, Platz zum Wenden gibt es nicht. Deswegen fährt das Müllauto an einem Donnerstagsmorgen rückwärts in die Sackgasse hinein. Nach etwa 50 Meter kommt es zum Unglück, der Wagen erfasst einen 81-Jähriger Fußgänger, der wenig später an seinen Verletzungen stirbt. Der Unfall, der sich Ende 2016 in Oldenburg ereignete, ist beileibe nicht der einzige dieser Art. Immer wieder werden Mitarbeiter der Abfallunternehmen, aber auch Passanten durch rückwärtsfahrende Müllautos verletzt - teils tödlich.

Vorschrift erlaubt Rückwärtsfahren von Müllfahrzeugen nur in besonderen Fällen

Deshalb würden Berufsgenossenschaft und auch Versicherungen mittlerweile verstärkt auf die Einhaltung einer alten Regelung pochen, sagt Volker Huth, Geschäftsführer der Entsorgungsgesellschaft Saalekreis (EGS). Diese Unfallversicherungsvorschrift von der er spricht gilt in den alten Bundesländern seit 1979, in den neuen seit 1990 und erlaubt das Rückwärtsfahren von Müllfahrzeugen nur in besonderen Fällen. Für viele Straßen müssen deshalb andere Lösungen gefunden werden.

„Wir sind derzeit dabei ein Rückfahrkataster zu erstellen“, berichtet der EGS-Geschäftsführer. In das sollen alle Straßen ohne Wendemöglichkeit aufgenommen und dann geprüft werden, inwieweit hier rückwärts gefahren werden kann oder dies zu gefährlich ist. „Wir gehen die Orte jetzt sukzessive durch“, erklärt Huth. Im Zweifelsfall fänden Vor-Ort-Termine mit der Berufsgenossenschaft statt. Drei solcher Treffen habe es bisher gegeben. In zwei Fällen fand sich keine Lösung. „Dort ist das Rückwärtsfahren untersagt worden.“ Huth betont die Anordnungen seien bindend. Betroffen sind laut EGS bisher der Kirchberg in Langeneichstätt und die Friedenseiche in Nemsdorf-Görendorf. „Da ist seit letztem Jahr ein Stellplatz ausgemacht worden, an die Bewohner die Tonnen bringen“, erörtert der Geschäftsführer, der nicht ausschließt, dass im Zuge der aktuellen Überprüfung weitere Straßen hinzukommen könnten.

„Es geht darum, menschliches Leid zu vermeiden.“

Zu dieser Überprüfung seien die Betriebe verpflichtet, betont Uwe Kalkreiber von der zuständigen Berufsgenossenschaft Verkehr in Dresden. „Es geht darum menschliches Leid zu vermeiden.“ Die entsprechende Regelung sei bereits Jahrzehnte alt. Seit 1990 müssten demnach auch in Ostdeutschland neue Straßen so gebaut werden, dass die Müllautos wenden können. Doch bei Planern habe sich das nicht immer durchgesetzt, merkt Kalbreiber an. Schließlich würde etwa ein Wendehammer grob die Fläche eines Baugrundstücks kosten. Dass nun auch die Unternehmen stärker auf die Einhaltung der Regeln achten, liegt seiner Ansicht nach auch daran, dass die Unfallversicherungen Ende 2016 die Branchenregeln „Abfallsammlung“ verabschiedet haben, die teilweise alte Verordnungen zusammenfassten. Wird gegen diese Regelungen verstoßen, könnten die Unternehmen bei Unfällen in Regress genommen werden.

Gänzlich verboten ist das Zurücksetzen für die Müllfahrer aber nicht. Kalkreiber erklärt, es gebe Ausnahmen für alte Straßen, wenn links und rechts mindestens 50 Zentimeter Platz sei und nur, wenn ein Einweiser vorhanden sei, zudem dauerhafter Blickkontakt bestehe. Dass sich die Mitarbeiter an diese Arbeitsvorschrift nicht immer halten, sieht Huth als einen wesentlichen Grund für die Unfälle.

Bei ihm schwingt daher Verständnis für die Regelung mit, zumal er technische Hilfssysteme nicht für ausgereift hält. Bisher sei es bei der EGS jedoch lediglich zu Sachschäden an Tonnen und Zäunen gekommen. Dies kann sicherlich nicht nur aus Sicht des Geschäftsführers gern so bleiben. (mz)