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Saalekreis Saalekreis: «Grande Dame» der Altstadt

Von REGINA RETZLAFF 21.09.2011, 16:37

QUERFURT/MZ. - Es gibt wohl kaum einen Querfurter, der Irmgard Fuhrmann nicht kennt. Die stets elegant gekleidete alte Dame mit dem leuchtend weißen Haar ist so etwas wie eine "Institution" in der Quernestadt. Als "Grande Dame" der Altstadt bezeichnet sie gar der Vorsitzende des Altertums- und Verkehrsvereins Querfurt und Umgebung, Konrad Kühne, der sie vor allem auch als Mitglied des Vereins schätzen gelernt hat. Irmgard Fuhrmann feiert am Donnerstag einen runden Geburtstag. Sie wird 90.

Weil sie sich aber gerade auf eine Operation vorbereitet, soll es nur eine kleines Sektfrühstück geben. "Keine große Feier. Das holen wir später nach", sagt sie, die seit 1937 in dem aus dem Jahre 1670 stammenden Haus am Markt 14 ihren Lebensmittelpunkt hat. Da begann sie nämlich ihre kaufmännische Lehre bei Hugo Fuhrmann, dem Inhaber der gleichnamigen Weinhandlung und Spirituosenfabrik. Und 1940 wurde sie schließlich die Ehefrau von Hugo Fuhrmann junior. Mit ihm, ihrem Schwiegervater und ihrem Vater führte sie das Geschäft bis zur Wende. Ab 1963 wurde allerdings nicht mehr produziert. So "verschwand" zunächst auch der "Dicke Heinrich", ein Harzer Kräuterlikör nach einem geheimen Rezept ihres Schwiegervaters, aus den Regalen. Doch im Laden gab es Weine, Spirituosen und Tabakwaren.

"Als die Wende kam, haben wir lange überlegt, ob wir weitermachen. Ich war ja auch schon 70 und Kredite wollten wir nicht mehr aufnehmen. Da beschlossen wir, nicht noch einmal neu anzufangen", erinnert sich die Jubilarin. Die widmete sich schließlich dem Erhalt der historischen Bausubstanz. Das Geschäft verpachtete sie an die Stadt, die es samt Ladeneinrichtung übernahm und die Stadtinformation etablierte.

"Mit dem Bürgermeister habe ich schließlich noch eine Firma in Allstedt gefunden, die das alte Rezept des 'Dicken Heinrich' übernahm, den Likör nun herstellt und in schönen Gefäßen anbietet, die aussehen wir der Turm auf der Burg", schmunzelt Frau Fuhrmann, die zudem ihren historischen Hof hin und wieder öffnet, um ihn der Allgemeinheit zu zeigen, ihn vor allem dem Altertums- und Verkehrsverein für Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. "Es ist doch viel zu schade, das Tor einfach geschlossen zu lassen. Viele Menschen sollten etwas von der Geschichte erleben. Schließlich hat in unserem Obergarten einst Gustav Adolf, der Schwedenkönig, am noch vorhandenen Steintisch gesessen und mit dem Bürgermeister gefrühstückt", schwört die Querfurterin, die zwei Töchter großzog, sich über drei Enkelsöhne und ganz neu über ein Urenkelchen freut, die aber alle weit weg von Querfurt wohnen.

Im Haus lebt sie allein. Zweimal am Tag kommt ein Pflegedienst und schaut nach ihr. "Und die Familie Michel kümmert sich um Haushalt, Hof und Garten. Darüber bin ich sehr froh und dankbar", sagt das Geburtstagskind, das sich in einem Brief an mögliche Geburtstagsgäste gewandt hat und darum bittet, Geld nicht für Blumen auszugeben sondern lieber eine Spende an den Altertums- und Verkehrsverein zu geben. "Diese Geste hat mich sehr gerührt", sagt Konrad Kühne, der Vereinsvorsitzende.