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Professor ohne Abitur Professor ohne Abitur: Wie der neue Dozent an der Hochschule Merseburg lehrt

Von Robert Briest 20.10.2019, 06:00
Elektrotechnik begeistert Marco Franke schon lange.
Elektrotechnik begeistert Marco Franke schon lange. Katrin Sieler

Merseburg - Die Formeln und Zeichnungen über denen Marco Franke in seinem noch kahlen Büro in der Merseburger Hochschule brütet, sehen schwer nach ernsthafter Mathematik aus. Er habe am Nachmittag eine Übung, darauf müsse er sich vorbereiten, sagt der neue Professor für Elektrotechnik, Leistungselektronik und elektrische Speichersysteme. Er ist erst seit zwei Wochen in der Domstadt. Bis zum letzten Septembertag sei noch unklar gewesen, ob er überhaupt einen offiziellen Ruf erhält oder nur als Vertretungsprofessor anfängt.

„Ich habe einen unkonventionellen Weg genommen“

Mittlerweile hat er aber nicht nur die amtsärztlichen Untersuchungen hinter sich, sondern auch die Verbeamtung, die mit der ordentlichen Professur einhergeht. Jetzt muss er seine ersten Vorlesungen in den Grundlagen der Elektrotechnik vorbereiten. Er hebt einen Aktenordner vom Schreibtisch. Seine Vorlesungsaufzeichnungen aus seinem ersten Semester als Student. 2002 war das, ebenfalls in Merseburg. Franke, heute 46, war da schon Mitte 20.

„Ich habe einen unkonventionellen Weg genommen“, sagt er. In der Tat dürfte es nur wenige Professoren geben, die kein Abitur abgelegt haben. Franke, der aus Mansfeld stammt, absolvierte nach der Realschule in einem Autohaus eine Lehre als Kfz-Elektroniker, machte dann später den Meister. Irgendwann wechselte er in die Fahrzeugentwicklung bei BMW in München. „Ich hatte dann da das Verlangen, mehr zu wissen. Schaltungsdesign hat mich immer schon fasziniert. Ich wollte das verstehen.“

Wie der neue Dozent an der Hochschule Merseburg lehrt

Mit dem Meister hatte Franke die Fachhochschulreife erlangt. Also begann er in Merseburg sein Studium. Ohne Abitur sei das ein schwieriger Weg gewesen. Er habe viele Nächte in seiner WG am Schreibtisch verbracht, um das, was ihm tagsüber erzählt wurde, nachzuvollziehen, erinnert er sich. Aber er habe sehr gut Professoren gehabt, mit denen er bis heute Kontakt pflege und die er als Vorbild für seine Lehraufgabe sieht: „Ich will die Studenten in den Bann ziehen. Es ist wichtig, dass sie begeistert dabei sind und nicht nur für die Prüfung lernen.“

Bei dem zweifachen Vater, der derzeit noch mit dem Zug aus Gerwisch bei Magdeburg nach Merseburg pendelt, mit seiner Familie hier jedoch bald bauen will, hat das mit der Begeisterung funktioniert. Er promovierte beim Fraunhofer Institut in Magdeburg, wo er später sechs Jahre arbeitete. Dort habe er sich etwa mit der Modellierung von Antrieben und Energierückspeisung befasst. Ab 2014 lehrte er parallel an der Hochschule Anhalt mechatronische Systeme und Elektronikdesign: „Da macht man sich Gedanken, wie man Schaltsysteme anordnet“, erklärt er.

An der Hochschule, hat er auch die Möglichkeit zu forschen

Ab 2017 wurde es in seiner Erwerbsbiografie dann turbulent. Erst wechselte er in den Bereich Industrieautomation bei Actemium, dann erhielt er das Angebot, bei Volkswagen in der technischen Entwicklung anzufangen. Er habe dort Abteilungsleiter werden sollen. Doch schon vor längerer Zeit hatte sich der 46-Jährige in Merseburg beworben. Also zog er nach nur einem halben Jahr bei VW weiter, auch aus inhaltlichen Gründen: „Mein Terminkalender war da von vorn bis hinten voll mit Telefonkonferenzen. Die gute technische Arbeit haben die Zulieferer gemacht.“

Jetzt, an der Hochschule, hat er auch die Möglichkeit zu forschen: „Elektrische Energiespeichersysteme sind ja gerade ein populäres Thema“, deutet er die Richtung an. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Erstmal muss Franke Labore einrichten und seine Lehrveranstaltungen vorbereiten, schließlich will er ja die Studenten begeistern. (mz)