Private Insolvenz: Private Insolvenz: Statt Lottogewinn ein Schuldenberg

Merseburg/MZ. - "Leider", sagt Liana Neubert und Bedauern klingt aus ihrer Stimme, "leider kommen die meisten erst zu uns, wenn es schon fast zu spät ist. Wenn sie mehrere Gerichtstitel und viele schlaflose Nächte hinter sich haben und trotzdem noch hoffen, irgendwie aus der Misere rauszukommen." Aber es erscheint kein rettender Engel, und auch der ersehnte Fünfer im Lotto bleibt aus. Als bittere Realität bleibt das Schuldenloch, und irgendwann doch der Gang zur Schuldnerberatung der Diakonie. Hälterstraße 19.

"Wir wissen, dass dieser Weg viel Überwindung kostet", zeigen Liane Neubert und Renate Lubasch Verständnis. Immerhin gehören zu den ersten Fragen die nach dem Wieviel und Weshalb. Da kocht dann die ganze schlimme Situation wieder hoch. Schocken kann die beiden Frauen fast nichts mehr. Sie hören zu, haken nach, beruhigen erst einmal und helfen - soweit möglich. Und wünschen sich dennoch, die Klienten würden "spätestens dann" kommen, wenn sie zum zweiten Mal eine Rate nicht bezahlen können oder Zahlungen anderer (Arbeitgeber, Unterhaltsverpflichteter) ausbleiben und Schwierigkeiten auftreten.

Seit fast neun Jahren helfen sie Schuldnern aus dem Landkreis Merseburg-Querfurt, auch als anerkannte Insolvenzberatungsstelle. Der Trend ist, seit langem schon, steigend. 635 Beratungen sind für 2001 registriert, ohne die telefonischen Auskünfte. Etwa 300 laufende Fälle betreuen die beiden Frauen, die Mehrzahl seit über einem, manche seit drei, vier Jahren oder noch länger. Dabei sind die ganz großen Brocken selten geworden. "Die Leute geraten in Schulden, weil sie ihre ganz normalen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können." Die Armut nehme zu. "Wir merken, dass immer weniger Geld da ist".

Auch zum Begleichen der Schulden. Die Zahl der Fälle, bei denen die Akten zur Seite gelegt werden können, wird stetig kleiner. Nur wenige schaffen die völlige Entschuldung. Trotzdem sprechen die Beraterinnen Mut zu. Mancher müsse eben lernen, mit den Schulden zu leben - und auf keinen Fall neue Löcher aufreißen. Schon das kann ein Erfolg sein. "Man kann sich sicher vorübergehend stark einschränken, aber nicht über Monate", wissen sie aus der Erfahrung. Ein Mensch brauche nun mal ein bestimmtes Limit zum Leben. "Wenn jemand nur Sozialhilfe bezieht, wie soll der denn noch etwas übrig haben?" Deshalb achten die Beraterinnen darauf, dass bei den Rückzahl-Plänen die Pfändungsfreigrenzen eingehalten werden und sind froh über deren Erhöhung seit 2002.

Unter den Klienten befinden sich Menschen aller Schichten und Altersgruppen. Oftmals stammen Zahlungsverpflichtungen aus Zeiten, wo es ihnen besser ging. Arbeitslosigkeit, Scheidung, Firmenkonkurs, privates Versagen, teure Verträge - die Ursachen für Verschuldung sind vielgestaltig. Und viele sehen ihre letzte Hoffnung in der Beratungsstelle.

Wobei manche auch mit falschen Vorstellungen kommen. "Die wollen dann wissen, wie sie es anstellen müssen, um ihre Schulden nicht zu bezahlen." Aber solche Ratschläge gibt es nicht, dann eher schon ein deutliches Wort. Sorgen bereitet die Zunahme der jugendlichen Schuldner, und fast immer wegen offener Handy-Rechnungen. 2000 Euro seien keine Seltenheit. Viele holten sich einfach bei einem anderen Anbieter einen neuen Vertrag, wenn sie den alten nicht mehr bezahlen können.

Die Schuldnerberatung selbst ist auf Zuschüsse angewiesen - schließlich kostet die Beratung nach wie keinen Pfennig beziehungsweise Cent. Das Land zahlt Zuschüsse für die Insolvenzberatung, Kreis und mehrere Kommunen für die Sozialberatung. Unterstützung gibt auch die Kreissparkasse, und lobend äußern sich die Mitarbeiter über die gute Zusammenarbeit mit den Sozialämtern von Stadt und Kreis. Da lasse sich manches Problem auf dem kurzen Weg klären. Vorgesehen ist, künftig einmal wöchentlich Sprechstunde in Querfurt zu halten, sobald die Raumfrage geklärt ist.

Diakonie-Schuldnerberatung; Merseburg, Hälterstraße 19, offene Sprechzeit Di 9-18 Uhr, sonst nach Vereinbarung, Telefon 03461/202198.