Pathologie in Merseburg Pathologie in Merseburg: Dem Tod auf der Spur

Merseburg - „Das, was in den Urkunden steht, ist häufig nicht die wahre Todesursache“, sagt der Merseburger Pathologe Peter Herrmann-Trost. Was im ersten Moment nach Vertuschungsvorwürfen klingt, entpuppt sich wenig später als Forscherdrang, der den studierten Zahnmediziner vor 36 Jahren dazu brachte, sich fortan mit Toten zu beschäftigen.
Mit der Untersuchung von Gewebeproben und der Obduktion von Leichen will Herrmann-Trost am Basedow-Klinikum eben nicht nur feststellen, dass beispielsweise ein Herz stehengeblieben ist, sondern warum genau. „Hier steht der Tod im Dienste des Lebens“, zitiert der Pathologe einen in Fachkreisen bekannten Spruch.
Kein Tatort-Krimi verpasst
Auch wenn Herrmann-Trost praktisch keinen Tatort-Krimi verpasst, will er nicht mit einem Gerichtsmediziner verwechselt werden. Während diese nach möglichen Straftaten ermitteln, besteht die Aufgabe des Pathologen heutzutage hauptsächlich darin, Gewebeproben von kranken, aber noch lebenden Menschen, zu untersuchen und dem behandelnden Arzt so bei der Diagnosestellung zu helfen.
„Wir sind sowas wie der verlängerte Arm oder das Auge des Operateurs“, sagt Herrmann-Trost. So werde zum Beispiel im Rahmen von sogenannten Schnellschnitt-Verfahren innerhalb weniger Minuten geklärt, ob ein Tumor bösartig ist oder nicht. „Heute wird fast jede Krebsdiagnose von einem Pathologen gestellt“, sagt er.
6.000 Gewebeproben
Rund 6.000 Gewebeproben untersucht er im Carl-von-Basedow-Klinikum jedes Jahr. Bei gut einem Viertel besteht der Verdacht auf eine schwerwiegende Magen-Darm-Erkrankung. Die modernen Operationsverfahren bedeuten dabei einen klaren Vorteil für die Patienten: „Man hat heute die Möglichkeit, Regionen des Körpers zu erreichen, in die man früher nur durch große operative Eingriffe gelangte.“
So kann der Patient komplett durchleuchtet werden. „Proben werden dann von uns beispielsweise mit verschiedenen Marker-Kombinationen getestet, so dass wir dann unter dem Mikroskop Auffälligkeiten erkennen können.“
Wahre Leidenschaft
Auch wenn Herrmann-Trost mit seiner Arbeit vielen Lebenden helfen kann, die wahre Leidenschaft ist es für ihn jedoch, dem Tod auf der Spur zu sein. „Leider haben wir nicht so viele Obduktionen wie früher“, erzählt er. „Dadurch verlieren wir ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung.“ Rund 4.000 Obduktionen hat Herrmann-Trost in seiner Laufbahn durchgeführt, auf die vergangenen 25 Jahre fielen dabei nur gut 500.
Zu DDR-Zeiten galt eine Leiche als Person, über die der Staat verfügte. Da dieser ein öffentliches Interesse darin sah, Todesursachen zweifelsfrei festzustellen, wurde öfter zum Skalpell gegriffen. „Heute ist ein Toter eine Sache, über die die Angehörigen verfügen“, sagt er. Die Familie müsse entscheiden, ob ein Leichnam obduziert werde oder nicht - solange natürlich eine Straftat ausgeschlossen werden kann. Das Interesse daran sei drastisch gesunken, sagt der Pathologe, mit einer Ausnahme: Bei Verdacht auf Berufserkrankungen, vor allem bei früheren Mitarbeitern von Buna und Leuna, wollen Berufsgenossenschaften oft wissen, ob etwa mit der Lunge etwas nicht stimmte.
Nur eine Halbtagsstelle
Da sich eine komplette Pathologie für das Basedow-Klinikum nicht rechnet, besetzt Herrmann-Trost, der eigentlich am Pathologischen Institut in Halle arbeitet, nur eine Halbtagsstelle. Die wird der 62-Jährige mit Tobias Berg künftig an einen jüngeren Kollegen übergeben, um einen fließenden Übergang zu schaffen. „In etwa zehn Jahren, ist in Sachsen-Anhalt knapp die Hälfte der Pathologen aus Altersgründen weg“, sagt er.
Dabei lag der Job in den 90ern noch im Trend. Angefixt von TV-Serien wollten vor allem viele junge Mädchen Pathologin werden. „Als die dann hörten, dass sie vor allem mit dem Mikroskop umgehen müssen, war das Interesse bei vielen schnell verflogen.“
Dabei ist der Job wirklich spannend, was deutlich wird, als Herrmann-Trost von seinem kuriosesten Fall berichtet. Noch zu DDR-Zeiten bekam er einen über 60-Jährigen auf den Seziertisch. Da der Mann im Sommer leblos auf einem Feldweg gefunden wurde, ging man von Herzversagen aus. „Die Organe sahen alle gut aus, eigentlich hätte er noch leben müssen“, erinnert sich Herrmann-Trost. Allerdings entdeckte er dann in der Luftröhre einen Fremdkörper. Nach einem Anruf beim Wetterdienst hatte der Pathologe den Fall gelöst: Da der Wind aus Richtung eines in Ernte stehenden Feldes kam, muss der Mann ein Korn verschluckt haben. „Ein Roggenkorn mit seinen Widerhaken setzte sich im Hals fest und führte zum Ersticken“, klärt Herrmann-Trost auf. (mz)
