MZ-Serie Teil 2 MZ-Serie Teil 2: Der Geköpfte von Schraplau

Merseburg - „Wappen sind Symbole einer Identität“, sagt Jörg Mantzsch. Der 65-Jährige zählt zu den renommiertesten Heraldikern des Landes. Viele Wappen in Sachsen-Anhalt hat er nach der Wende selbst entworfen. Doch was bedeuten eigentlich die farbigen Flächen, Löwen und abgetrennten Häupter? In dieser MZ-Serie erläutert Mantzsch die Bedeutung der Wappen von Horburg-Maßlau bis Querfurt, die geprägt sind von der Historie der Region und christlicher Mythologie. Nebenbei erklärt er die Grundregeln der Wappenkunde. Heute unter der Lupe: Schraplau.
1Mehrere Vorläufer Die heutige Version des Schraplauer Wappens hat Jörg Mantzsch gezeichnet. Es hatte aber Vorläufer. „Das Wappen tauchte in einer Reihe von Versionen auf. Einmal läuft der Söldner nach links, einmal nach rechts“, berichtet der Heraldiker. Auch die Farbgebung widersprach den Regeln der Wappenkunde: „Wir hatten da einen goldenen Söldner vor silbernen Hintergrund. Das darf nicht sein.“ Der Krieger mit dem abgeschlagenen Kopf wurde schon 1610 erstmals als Siegelmotiv erwähnt, 1746 gab es ihn als Siegelstempel.2Kopf ohne Körper Das Schraplauer Wappen kommt sehr martialisch daher. Das abgeschlagene Haupt in der Hand des Kriegers sticht sofort ins Auge. Es ist aber kein unerbetener Eindringling, der hier seinen Kopf verlor, sondern Johannes der Täufer. „Er ist der Schutzpatron der Schraplauer Kirche“, erklärt Mantzsch die Personenwahl. Doch warum die Darstellung als Köpfungsopfer? Der Heraldiker verweist auf die Legenden des Christentums. Demnach geriet Johannes, der Jesus getauft haben soll, in die Gefangenschaft des galiläischen Herrschers Herodes Antipas, der zu dieser Zeit gerade seine erste Frau verstoßen haben soll, um die Frau seines Halbbruders zu ehelichen. Je nach Quellenlage geschah dies, weil Johannes diese neue Vermählung kritisierte oder weil Herodes fürchtete, dass er für Aufruhr sorgen könnte. Jedenfalls soll die Tochter seiner Frau Johannes’ Kopf als Belohnung für einen Tanz gefordert – und offenbar auch erhalten haben. So verlor Johannes zumindest der Legende nach seinen Kopf durch Hinrichtung. Er ist mit oder ohne Kopf einer der häufigsten Kirchenpatronen der Region und deshalb auch auf vielen anderen Wappen wie etwa Merseburg oder Obhausen vertreten.
3Der Römer Der Träger von Kopf und Schwert ist ein römischer Krieger. Die Römer beherrschten um das Jahr null herum diesen Teil des Nahen Osten, der heute in Israel und den Palästinenser Gebieten liegt.
4Der rote Turm „Der Zinnenturm bezieht sich wohl auf die Burg Schraplau, die bereits im 9. Jahrhundert von Slawen angelegt und später dann von den Deutschen übernommen wurde“, erklärt Mantzsch. Im 10. und 11. Jahrhundert gehörte die Burg den Herren von Schraplau, die wohl mit den Edelherren von Querfurt verwandt waren. Später im 14. Jahrhundert wurde Burchard III. von Schraplau sogar Erzbischof von Magdeburg – allerdings mit unglücklichem Ende. Im Zuge von Fehden mit Halle und Magdeburg wurde der Kirchenfürst erschlagen. Zudem hinterließ er Schulden, weswegen seine Nachfahren die Burg Schraplau verkaufen mussten. Sie war später im Besitz der Grafen von Mansfeld. Bereits im 17. Jahrhundert wird ihr Zustand als schlecht beschrieben. Sie zerfiel in der Folge immer mehr, wurde zwischenzeitlich als Steinbruch genutzt. Heute sind nur noch wenige Fragmente als Ruine in der Kleinstadt zu entdecken.
5Glattes Grün Ursprünglich sei der Schildfuß sehr natürlich und wellig gezeichnet gewesen. „Das ist heraldisch unüblich“, erörtert Mantzsch. Deswegen hat er ihn bei der nun gültigen Version glatt ausgeführt.
Was ist überhaupt ein Wappen?
Mantzsch: Wappen sind Symbole einer Identität. Sie kommen aus dem militärischen Gebrauch, konkret entwickelten sie sich im Spätmittelalter aus dem Bedürfnis heraus, sich zu kennzeichnen. Wappen geht etymologisch auf das altdeutsche Wort „wäpen“ zurück, also Waffe. Es gab damals noch keine Uniformen. Dennoch musste man ja entscheiden: Ist das einer von uns oder hau ich dem den Morgenstern über den Kopf? Deswegen hat man zur Unterscheidung die Wappen verwendet, zunächst auf dem Schild, später auch auf dem Helm. Mit der Zeit wurde das Wappen bei Ritterturnieren verwendet. Aus dieser Funktion heraus seine Person und seinen Stand zu kennzeichnen, haben auch das Bürgertum und die Städte den Trend abgeleitet, sich mit Wappen zu zieren und nach außen zu repräsentieren. Wappen im kommunalen Bereich sind Hoheitszeichen. Sie drücken die Exekutive aus. Im Unterschied zu einem Logo, das allgemeinfrei ist, sind Wappen an den Träger gebunden. Sie sind also nicht gemeinfrei. Das heißt, sie können nicht von jedem verwendet werden. In der heutigen Zeit sind Wappen insofern wichtig, dass sie nicht nur bildliche Symbole bei der Beurkundung sind, sondern in der öffentlichen Wahrnehmung auch Symbole einer örtlichen Identität. Deswegen haben Wappen auch heute noch eine große Bedeutung.
(mz)