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Müllmann für einen Tag Müllmann für einen Tag: Mit welchen Hürden die Müllabfuhr im Arbeitsalltag kämpft

Von Michael Bertram 07.07.2018, 10:00
Die Mitfahrten auf dem Tritt sorgen für frische Luft.
Die Mitfahrten auf dem Tritt sorgen für frische Luft. Peter Wölk

Merseburg - Die Sonne brennt auf der Haut, der Schweiß läuft den Rücken hinunter. Erst wenige Straßen im Merseburger Westen liegen hinter uns, da gehen mir die hohen Temperaturen schon auf den Keks.

Ausgerechnet an einem der heißesten Tage des Jahres bin ich mit Hartmut Kraft und Ingo Hesse von der Entsorgungsgesellschaft Saalekreis unterwegs, um das abzuholen, was wirklich keiner mehr haben will: den Restmüll unzähliger Merseburger Haushalte.

Wie hart ist die Arbeit der Müllwerker - so heißen die Männer von der Müllabfuhr offiziell? Wie halten Sie den Gestank des Tonneninhalts aus? Und wie angesehen ist die Arbeit, die sie jeden Tag aufs Neue für uns alle erledigen?

Unterwegs mit der Müllabfuhr in Merseburg: Von der Kohle zum Müll

„Den Geruch nimmt man irgendwann gar nicht mehr so richtig war“, sagt Kraft. Seit 29 Jahren ist er schon dabei. Der 56-Jährige hatte in der Kohle in Wallendorf gearbeitet - ein Job ohne Zukunft.

Dann wechselte er nach der Wende zur Stadtwirtschaft Merseburg. Heute arbeitet er für den kreiseigenen Entsorger EGS. „Die Arbeit macht schon Spaß“, sagt Kraft voller Überzeugung.

Naja, nicht immer, räumt er dann doch ein. „Vor allem im Winter ist es hart“, sagt er. Die Kälte störe ihn und seine Kollegen weniger. „Aber wenn Schnee liegt, ist es einfach schwierig, das Fahrzeug zu steuern und die Tonnen zu transportieren.“

Die Müllwerker der Entsorgungsgesellschaft Saalekreis: Schwere Arbeit vor allem im Winter

Bis zu 22 Kubikmeter fassen die Lastwagen. Da kommt eine Menge Gewicht zusammen, das alle paar Meter immer wieder von Neuem in Schwung gebracht werden muss. Hinzu kommt der Schnee, der sich durch Wind oder Beräumung am Wegesrand auftürmt. „Bringen sie dann erstmal die Tonnen zum Fahrzeug“, gibt Hartmut Kraft zu bedenken.

Das ist aber auch im Sommer nicht immer so einfach, wie ich schnell merke. Nach einer kurzen Einweisung, wie die Schüttung am Fahrzeugheck funktioniert und auf welche Sicherheitsaspekte zu achten ist, schnappe ich mir im Merseburger Lahnweg die erste schwarze Tonne.

Wie leicht sie losrollt, ist stets eine Überraschung: Nicht alle sind gleich befüllt. Gut, dass vor den meisten Grundstücken der Einfamilienhaussiedlung die Behälter direkt auf der Straße stehen. Denn es geht auf die Arme, die schweren Tonnen im Akkord über Bordsteinkanten hinweg zum Fahrzeug zu bringen.

Mit der Müllabfuhr in Merseburg unterwegs: Chip in der Tonne als Hilfsmittel

Dort angekommen müssen die Behälter ganz genau im sogenannten Kamm eingehackt werden. An dessen äußersten Zacken wird der in der Tonne steckende Chip ausgelesen, über den die Menge des entsorgten Mülls erfasst wird.

„Der Chip erfasst das Gewicht zweimal“, sagt Stefan Saal, Prokurist der EGS. „Einmal, wenn die volle Tonne nach oben geht, ein zweites Mal, wenn sie wieder abgesetzt wird.“ So werde dem Kunden nur die Menge Müll in Rechnung gestellt, die auch tatsächlich im Lkw gelandet ist.

Die Schüttung kann manuell oder automatisch betrieben werden. Ist die Automatik aktiv, reicht es, die Tonne ordnungsgemäß am Kamm einzuhaken. Die schwere Technik setzt sich in Bewegung und hebt bis zu zwei Tonnen gleichzeitig in die Höhe, um sie im Fahrzeuginneren zu entleeren.

Die Müllwerker im Saalekreis: Sicherheit geht auch bei der Müllentsorgung vor

Was alles in der Tonne steckt, bleibt den Müllwerkern in der Regel verborgen. „Natürlich schmeißen die Leute alles rein, achten nicht genau auf die Trennung“, sagt Kraft.

Vor allem in den Städten ist zu bemerken, dass Mülltrennung nicht so genau genommen wird. „Oft landet der Müll nicht mal in der Tonne, sondern liegt davor oder daneben“, erzählen Kraft und sein Kollege.

Dass sie kaum noch in die Behälter hineinschauen, hänge mit Gesundheitsaspekten zusammen, wie Stefan Saal erklärt. „Man weiß ja nie, was da alles drin ist und ob die aufgewirbelten Partikel vielleicht allergische Reaktionen bei den Ladern hervorrufen“, sagt er. Sicher ist eben sicher. Auch bei der Müllentsorgung.

Müllabfuhr im Saalekreis: „Im Freundes- und Familienkreis wird mein Job anerkannt“

Klobikauer Straße, Siegweg, Rheinstraße - als Lader schiebe ich zusammen mit Ingo Hesse Dutzende große und kleine Tonnen - die gefüllt bis zu 200 Kilo wiegen können - hin und her.

Nur selten sind diejenigen zu sehen, deren Abfall ich in das Fahrzeug lade. Einige der wenigen Passanten grüßen. Mit fehlendem Respekt habe das nichts zu tun, meinen meine beiden Kollegen auf Zeit. „Im Freundes- und Familienkreis wird mein Job anerkannt“, sagt Kraft.

Angesichts der in Richtung 30 Grad kletternden Temperaturen tun die kurzen Zwischenfahrten auf dem Tritt am Heck des Fahrzeugs gut. Der Fahrtwind erfrischt. Bis zu 30 Kilometer pro Stunde darf der Lkw zurücklegen, wenn Menschen außen mitfahren. Da heißt es, gut festhalten.

Müllwerker der Entsorgungsgesellschaft Saalekreis: Geparkte Autos sorgen für Probleme

Vor allem in den Kurven. Nur selten kann Kraft ohnehin wirklich Fahrt aufnehmen. Zum einen lässt die nächste Mülltonne nicht lange auf sich warten, zum anderen wird das große Fahrzeug immer wieder durch parkende Autos ausgebremst.

Einmal steht ein Möbelwagen im Weg. Als der Fahrer uns kommen sieht, packt er zusammen und dreht eine Runde im Viertel, um uns vorbeizulassen. „Es wird immer schlimmer“, klagt Kraft. Mehr und mehr große Autos parken am Straßenrand an den unmöglichsten Stellen.

Einmal habe er eine Mauer gestreift, ansonsten sei nichts passiert. Damit das so bleibt und sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren können, lasse ich Kraft und Hesse nach zwei Stunden wieder allein.

(mz)

Die Funktion der Schüttung des Entsorgungsfahrzeug ist schnell erklärt.
Die Funktion der Schüttung des Entsorgungsfahrzeug ist schnell erklärt.
Peter Wölk