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Mit der Linie 33 durch das Geiseltal

Von Elke Jäger 06.04.2006, 14:34

Mücheln/MZ. - Mücheln war letzte Station und Endhaltestelle der ehemaligen Straßenbahnlinie 33, die von Merseburg durch das Geiseltal führte. Werner Gutjahr, Autor mehrerer Bücher, die im Geiseltal angesiedelt sind, fuhr selbst lange Zeit als Straßenbahnfahrer auf diesen Gleisen.

In dem jetzt wieder aufgelegten Band "Mit der Straßenbahn durchs Geiseltal - Die letzte Fahrt - Abschied von der Linie 33" schildert er den letzten Arbeitstag eines Straßenbahnfahrers. Gutjahr selbst bezeichnet die Geschichte als "dokumentarische Prosa"; er verbindet Dokumentarisches und selbst Erlebtes mit Fiktivem. Dabei nimmt er den Leser mit auf eine Reise, die zwar zahlreiche Erinnerungen weckt, aber nichts verklärt. So entsteht aus vielen Puzzleteilchen und Geschichten ein Bild vom Geiseltal, in dem hart gearbeitet, fröhlich gefeiert, derb gelacht und heftig gestritten wurde, ein Bild von Menschen, die größtenteils schweren Herzens von der Heimat Abschied nehmen. In den verschiedenen Charakteren, die jeweils einige Stationen mit der Bahn mitfahren, präsentiert Gutjahr ein Stück Zeitgeschichte: Da ist die junge Frau mit der kleinen Tochter, die gerade erst "wegen der Kohle" umgesiedelt wurde, der verschlagene und linientreue Anton, ein Zuträger der Obrigkeit, die Kumpel, die nach der Schicht kräftig "einen draufmachen", junge Frauen, die mit dem Fahrer flirten oder der alte Gustav, der die Bahn regelmäßig als Transporter für Ferkel, Ziegen oder Gänse nutzt. Und die blonde Christel, in die sich der Erzähler verliebt. . .

Anekdoten zum Schmunzeln wechseln mit Erinnerungen und Geschichten ohne happy end. So hatte es sich eingebürgert, dass ehemalige Benndorfer mit einem Topf oder einer großen Flasche mit der Tram bis Neumark fuhren und sich dort am Bahnhof Wasser abfüllten - weil der Kaffee mit dem Merseburger Leitungswasser so gar nicht schmeckte. Ein anderes Mal fuhr ein Mini-Zirkus mit und ein Äffchen, das aus dem Käfig entwischt war, turnte durch den Wagen. Doch ringsumher kamen die Bagger näher und näher. Immer mehr Häuser, Gärten und ganze Dörfer verschwanden - und eines Tages auch die Gleise der Linie 33.

"Mit der Straßenbahn durchs Geiseltal", unveränderte Zweitauflage, Verlag Rockstuhl, 9,80 Euro, ISBN 3-934748-37-6.

Erstauflage 2002 unter Titel "Die letzte Fahrt", Verlag Doris Mandel.