Ende einer Ära Merseburgs letzte Videothek macht dicht

Merseburg - Auf den ersten Blick wirkt es wie Alltag. Filialleiterin Ines Fiedler hockt vor einem Regal der Videothek am Merseburger Bahnhof und sortiert Filme in die langen Reihen ein. Doch auf deren Cover kleben leuchtend rote Etiketten „Sonderpreis“.
An den Stirnseiten der Regale hängen Zettel, dass selbst dieser noch mal um 50 Prozent reduziert ist. Fiedler versucht, den Bestand an Filmen und Spielen loszuwerden. Möglichst viele der einst 20.000 Titel sollen bis Samstag weg sein. Denn dann stellt auch die letzte Merseburger Videothek endgültig den Verleih ein. Das Ende einer Ära.
Aus für Videothek in Merseburg: Konkurrenz durch Netflix und Co.
Fiedler betont: „Es ist keine Insolvenz, sondern eine Geschäftsaufgabe.“ Die Umsätze ließen einen Weiterbetrieb nicht mehr zu. Jedes Jahr würden sie ebenso zurückgehen wie die Kundenzahlen. Für diese Entwicklung sieht die Filialleiterin eine Reihe von Gründen.
Die Konkurrenz durch Streamingdienste wie Amazon Prime oder Netflix sei einer davon. Durch sie falle das Geschäft mit dem Backprogramm weg, also mit den Filmen, die teils schon länger aus den Kinos heraus sind.
Den Videotheken fehlt vor allem die nachwachsende Kundengeneration. Hier würden auch Youtube und MyVideo Konkurrenz machen, sagt Fiedler: „Die junge Generation ist teilweise gar nicht mehr an physische Datenträger gewöhnt.“
Aus für Videothek in Merseburg: Auch in Leipzig sind Videotheken rar
Die älteren Kunden allein reichen nicht aus, diese Lücke zu schließen. Zumal sich auch die Anschaffungskosten erhöht hätten, wie die Filialleiterin berichtet. Durch Blu-ray-, 3D- und 4K-Formate müsse man Filme heute teilweise in zehnfacher Ausführung kaufen. Ähnliches gelte für die Videospiele.
Deshalb ist Merseburg kein Einzelfall. Videotheken sind selbst in Leipzig mittlerweile eine echte Rarität. Fiedlers Arbeitgeber hatte einst 25 Filialen in Ostdeutschland betrieben. Die am Bahnhof ist die vorletzte, die schließt. Für die drei verbliebenen Mitarbeiter geht es danach noch drei Monate im sächsischen Freiberg weiter. Auch hier sollen sie die Filiale abwickeln. „Wir haben da ja schon Routine mit den Abläufen.“
Danach ist auch für Fiedler Schluss. Was sie dann mache, wisse sie noch nicht. Sie sei angesichts der derzeitigen Lage auf dem Arbeitsmarkt jedoch zuversichtlich, dass ihre Kollegen und sie neue Jobs finden werden. Die nächsten Tage versucht sie nun jedoch erstmal den Restbestand zu verkaufen. Fast die Hälfte sei schon weg: „Was übrigbleibt, geht an einen Onlinehändler.“ (mz)