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Gewitter im Kopf Merseburgerin berichtet, wie sie die Diagnose Epilepsie bekam

Was man zunächst für eine Kreislaufschwäche hält, stellt sich später als Epilepsie heraus. Warum Ute Goldacker sich selbst aus dem Verkehr gezogen hat.

Von Undine Freyberg 23.06.2021, 17:15
Mit Elektroden können bei Epilepsie-Patienten Gehirnströme gemessen werden.
Mit Elektroden können bei Epilepsie-Patienten Gehirnströme gemessen werden. Foto: dpa

Merseburg - Wie sie mit ihrem Auto ins Gleisbett geraten ist, daran konnte sich Ute Goldacker nicht erinnern. „Mein großes Glück war eigentlich, dass gerade keine Straßenbahn kam“, erzählt die 55-Jährige. „Außerdem hatte ein Mann meinen Unfall beobachtet und sofort den Notarzt alarmiert.“ Sie selbst sei allerdings erst im Rettungswagen zu sich gekommen. Das Unglück ist mittlerweile schon einige Jahre her. „Aber seitdem hab’ ich mich nicht mehr ans Steuer gesetzt. Ich hab’ mich selbst aus dem Verkehr gezogen, obwohl ich seitdem nicht mehr so einfach von A nach B komme“, erzählt sie. „Denn ich könnte mir nicht verzeihen, wenn ich jemanden verletzten sollte.“

Diagnose Epilepsie: Bei einem Arbeitgeber wurde sie gekündigt, weil sie zu oft umgekippt war

Angefangen hat alles vor fast 20 Jahren. „Da bin ich auf der Arbeit im Umkleideraum umgekippt. Alle dachten, dass es was mit dem Kreislauf zu tun hat, weil wir gerade ziemlichen Stress hatten“, erzählt Goldacker. Ihre Anfälle wiederholten sich. Was der Auslöser dafür ist, kann sie nicht sagen. „Das kommt einfach von jetzt auf gleich. Und dann bin ich wie in Trance.“ Heute weiß sie aus den Schilderungen ihres Mannes, dass sie dann im Gesicht hochrot wird. „Dann fange ich manchmal an, Unsinn zu erzählen. Aber erinnern kann ich mich nicht.“

Bis Ute Goldacker die Diagnose Epilepsie bekam, vergingen zwei Jahre. Seit ihrem ersten Anfall hat die gelernte Zootechnikerin mehrmals den Job gewechselt. Bei einem Arbeitgeber wurde sie gekündigt, weil sie zu oft umgekippt war. Bei einem anderen musste sie aufhören, weil sie nicht mehr Auto fahren konnte. „Ich konnte ja auch nicht mehr allein arbeiten. Es musste ja immer jemand dabei sein.“ 2015 nahmen die Anfälle und Aussetzer zu. Seither ist sie zu 50 Prozent schwerbehindert. Allerdings sind die Anfälle mittlerweile dank Medikamenten nicht mehr so heftig, kommen allerdings trotzdem noch relativ häufig vor.

Manche Erkrankte tragen eine solche Notfallkarte bei sich. Sie gibt Helfenden wichtige Tipps.
Manche Erkrankte tragen eine solche Notfallkarte bei sich. Sie gibt Helfenden wichtige Tipps.
Foto: U. Freyberg

Bei Ruhe kommt das Gewitter im Kopf

Wenn sie beschäftigt sei, bekomme sie keine Anfälle. „Aber wenn ich in Ruhe bin oder mehrere Nächte schlecht geschlafen habe, dann passiert es“, erzählt sie. „Das ist dann wie ein Gewitter im Kopf.“ Sie habe oft gegrübelt, was der Grund für ihre Erkrankung sein könnte. „Ich bin als Kind zweimal ganz unglücklich auf den Kopf gefallen beziehungsweise habe mich sehr schlimm gestoßen. Vielleicht ist das der Grund.“

Um Menschen mit ähnlichen Erkrankungen die Möglichkeit zum Austausch zu geben, soll in Merseburg eine Selbsthilfegruppe für Epilepsieerkrankte aufgebaut werden. Ein erstes Treffen ist noch im Sommer geplant. Kontakt: Paritätische Selbsthilfekontaktstelle, Tel. 03461/34 18 72 oder 0170/674 78 07, E-Mail: [email protected]. (mz)