Kulturfreund Merseburg: Was Siegfried Berger mit Skandal im Goethe-Theater zu tun hatte

Merseburg - Die gedankliche Zeitreise führt zurück ins Jahr 1932. Zu jener Zeit hatte das Goethe-Theater in Bad Lauchstädt sozusagen Skandalpotenzial. Grund dafür war die künstlerische Umgestaltung des Theatersaals.
Der aufstrebende Künstler Charles Crodel hatte dabei ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen. Er wählte etwa statt eines roten einen blauen Bühnenvorhang. Und auch die impressionistisch angehauchte Wandgestaltung war konservativeren Zeitgenossen ein Dorn im Auge. Am neuen Erscheinungsbild schieden sich also die Geister, was schließlich zu einer Art Rolle rückwärts aus optischer Sicht führte. Die neuen Bilder wurden schlichtweg übermalt, der Affront kurzerhand beseitigt. Von der kleinen Anekdote wusste am Samstag bei einem Symposium der Geschäftsführer der Historischen Kuranlagen, René Schmidt, zu berichten.
1927 wurde Siegfried Berger in den preußischen Staatsdienst geholt
Das Symposium fand anlässlich des 125. Geburtstags eines großen Sohnes Merseburgs statt. Siegfried Berger erblickte hier 1891 das Licht der Welt. Und als Vorsitzender des Goethe-Theater-Vereins hatte Berger später wahrscheinlich auch beim Engagement von Crodel seine Finger mit im Spiel. Allerdings lässt sich das historisch nur schwer belegen, weil laut Unterlagen der damalige Landeshauptmann der preußischen Provinz Sachsen, Erhard Hübener, offiziell in der Verantwortung stand. Der gilt jedoch als Ziehvater von Siegfried Berger, holte ihn 1927 in den preußischen Staatsdienst - eine seinerzeit erstaunliche Entscheidung. Berger war zuvor Redakteur beim Merseburger Korrespondenten, dessen Chefredakteur er später wurde, und damit eigentlich kein Experte in Sachen Verwaltung. Hübeners Wahl fiel dennoch auf den Quereinsteiger.
In seiner Funktion als Bürokrat arbeitete sich Berger schnell hinein. Er wurde als akribischer und teils sogar sehr emotionaler Arbeiter bekannt, wenn es um das Erreichen angestrebter Ziele ging. Die Arbeit hatte offenbar auch im Privaten zumeist den Vorrang. „Er zog sich oft zurück, um sich damit zu befassen“, erzählte beim Symposium Bergers Tochter Susanne Schmidt. Die 90-Jährige war aus Berlin angereist. Berger wollte vor allem dem heutigen mitteldeutschen Raum mehr Identität geben, indem er hierzulande die Kultur im besonderen Maße förderte. Unter anderem erstellte er ein Museenverzeichnis, pflegte zudem Kontakte zu zahlreichen Vereinen, die auf kulturellem Gebiet aktiv waren. Politisch war Berger offenbar ein Verfechter des Föderalismus. Die Schaffung der drei Bundesländer, die heutzutage Mitteldeutschland bilden, war schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bergers Ziel. Sein Bestreben setzte Berger auch während der NS-Diktatur fort, die er verurteilte. Das Zitat: „Wir hatten in der Zeit Propaganda und keine Kultur“, ist überliefert.
Berger verstand sich Zeit seines Lebens auch als Schriftsteller, verfasste Gedichte sowie auch Prosatexte. Susanne Schmidt findet nicht, dass das Wirken ihres Vaters zu wenig gewürdigt wird. Es gibt unter anderem in Merseburg eine Straße, die nach ihm benannt ist. „Allerdings könnte mehr gemacht werden, damit auch junge Leute mit dem Namen Siegfried Berger noch etwas anfangen können“, schlägt sie vor.
Sonderausstellung zu Siegfried Berger in der Sitte-Galerie
Dass sich die Kunstszene der Region Merseburg noch immer mit Siegfried Berger beschäftigt, davon konnte sich Susanne Schmidt wenig später in der Willi-Sitte-Galerie überzeugen, wo einige der Werke in einer Sonderausstellung zu Ehren ihres Vaters gezeigt werden. Maler und Grafiker hatten sich mit dem großen Kulturpolitiker und Schriftsteller Berger auseinandergesetzt und dies künstlerisch umgesetzt. Die Siegfried-Berger-Stiftung hatte hierzu einen Wettbewerb ausgelobt, an dem sich so viele Künstler beteiligt hatten, dass aus Platzgründen gar nicht alle Werke in der Sitte-Galerie gezeigt werden können, einige hängen deshalb im Ständehaus.
Karin Gittel von der Siegfried-Berger-Stiftung erklärte, dass dies nicht der einzige Anlass sein soll, zu dem die Malereien und Grafiken ausgestellt werden sollten. „Wenn es uns die Künstler gestatten, wollen wir in Kooperationen mit anderen Einrichtungen die Werke auch noch an anderen Orten zeigen.“
Zur Erinnerung an das von der Berger-Stiftung ausgerufene Berger-Festjahr überreichte Karin Gittel Susanne Schmidt einen Merseburg-Kalender der Gebrüder Pockrandt, der unter anderem dem großen Sohn der Stadt gewidmet war.
(mz)
