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Rechnung nicht bezahlt Merseburg: So vielen Schuldnern klemmen die Stadtwerke den Strom ab

Von Michael Bertram 06.06.2017, 11:00
Wenn es keinen Strom mehr gibt, müssen Kerzen ausreichen.
Wenn es keinen Strom mehr gibt, müssen Kerzen ausreichen. imago/Döhrn

Merseburg - Die Preise von Heizöl, Gas und Strom sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen. Zum Teil so stark, dass sich viele Menschen diese Ausgaben nicht mehr leisten können. Das bekommen auch die Stadtwerke Merseburg zu spüren, die regelmäßig mit säumigen Zahlern zu tun haben. „Pro Monat verzeichnen wir rund 80 Sperrandrohungen“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Guido Langer.

Diese werden von dem Stromversorger ausgesprochen, wenn Kunden bereits auf einfache Mahnungen nicht reagiert haben. „Die meisten der Betroffenen reagieren dann auch“, sagt Langer. Bei rund einem Viertel bringt jedoch auch der Druck nichts, ihnen wird der Strom abgedreht.

Strom abschalten kostet die Stadtwerke Merseburg viel Geld

Erst wenn die Schulden beglichen sind, können sie wieder auf Strom hoffen, wie es hieß. „Durch solche Maßnahmen werden die Kosten jedoch noch weiter erhöht, denn Sperrungen und Entsperrung kosten richtig Geld“, erläutert der Stadtwerke-Chef.

Trotz der gestiegenen Preise habe sich die Zahl der Sperrungen bei den Stadtwerken in den zurückliegenden Jahren jedoch positiv entwickelt. „Wir bemerken auch, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist, was sich auf die Zahlungsmoral positiv auswirkt“, erklärt Langer. Darüber hinaus biete der zuständige Eigenbetrieb Langzeitarbeitslosen auch Darlehen an, um solche Schulden zu begleichen.

Wer Leistungen von Jobcenter oder Sozialamt bezieht, kann seine Abschläge direkt von dort an den Energieversorger überweisen lassen. Ein formloser Antrag kann beim Träger der Sozialleistungen gestellt werden.

Ein Überblick über die Haushaltsfinanzen ist wichtig. Die Ausgaben dürfen nicht die Einnahmen übersteigen. Helfen kann dabei ein Haushaltsbuch, in das notiert wird, wofür das Geld ausgegeben wird.

Bei Minirente und geringem Einkommen lohnt es sich zu prüfen, ob ein ergänzender Anspruch auf staatliche Hilfen wie zum Beispiel Wohngeld oder Grundsicherung besteht.

Die Abschlagszahlungen sollten zum Stromverbrauch passen und weder zu niedrig noch deutlich zu hoch bemessen sein. Zu niedrige Abschläge führen zu hohen Nachforderungen bei der Jahresrechnung. Bei zu hohen Beträgen gibt es zwar bei der Jahresrechnung eine Rückzahlung, doch fehlt das Geld in den Vormonaten vielleicht an anderer Stelle. Die Verbraucherzentrale empfiehlt, wenn nötig vom Versorger die Abschlagszahlung dem tatsächlichen Verbrauch anpassen zu lassen. Manchmal kann auch ein Tarif- oder Anbieterwechsel sinnvoll sein, um Kosten zu sparen.

Wer an der Berechtigung einer Energiesperre zweifelt, sollte frühzeitig Hilfe bei der Verbraucherzentrale, einer gemeinnützigen Schuldnerberatung oder bei einem Rechtsanwalt suchen. In der Regel gilt: Eine Energiesperre zu verhindern, ist leichter zu bewerkstelligen als einen gesperrten Anschluss wieder freizuschalten. Außerdem fallen bei einer Sperre weitere Kosten an. Sowohl die Sperrung selbst als auch die Entsperrung kosten Geld.

Doch auch wenn die Sperre berechtigt ist, gilt: aktiv werden und Hilfe suchen. Ratsam ist der sofortige Kontakt zum Energieversorger. Ihm sollte die Situation erklärt werden. Um hohe Nachforderungen zu begleichen, kann eine Ratenzahlung durchaus eine sinnvolle Alternative sein. Denn der Energieversorger sollte nach Auffassung der Verbraucherzentrale im Vorfeld einer Energiesperre prüfen, ob es mildere Mittel zur Durchsetzung seiner Forderung gibt. Die Vereinbarung einer Ratenzahlung gehört dazu. Dabei gilt: In der Regel werden keine Ratenzahlungen auf offene Abschläge gewährt, sondern nur auf Forderungen aus der Jahresendabrechnung.

Wenn keine Ratenzahlung möglich ist, sollten Betroffene sich an das örtliche Jobcenter oder Sozialamt wenden. Dort können sie einen formlosen Antrag auf Übernahme der Energieschulden stellen. Sollte der Antrag bewilligt werden, erfolgt dies im Regelfall auf Darlehensbasis. Dieses Darlehen muss zurückgezahlt werden, zum Beispiel über die Aufrechnung mit den monatlichen Leistungen.

Stadtwerke Merseburg bleiben pro Jahr auf rund 100.000 Euro sitzen

Bis zum letzten Moment versuchen die Stadtwerke über die Servicegesellschaft fehlende Beträge einzutreiben. „Der mit der Sperrung von Zählern beauftragte Mitarbeiter versucht vor Ort ein letztes Mal, Kontakt mit den Betroffenen aufzunehmen und das Geld einzutreiben“, wie Langer erzählt. „Oft wird ihm aber gar nicht erst geöffnet, seltener wird der Mitarbeiter aber auch bedroht.“

Trotz des verstärkten Schuldnermanagements müssen auch die Stadtwerke jedoch regelmäßig eine größere Summe unbezahlter Stromkosten abschreiben. „Im Jahr bleiben wir auf rund 100.000 Euro sitzen“, sagt Langer.

Energiewende trifft vor allem die armen Haushalte

Laut einer aktuellen Studie der OECD soll etwa jeder zehnte deutsche Haushalt nicht in der Lage sein, die Energiekosten zu bestreiten. Als eine der Hauptursachen haben die Experten die EEG-Umlage ausgemacht, mit der die Kosten für Solaranlagen und Windkraftanlagen bezahlt werden. Die Energiewende belastet durch die Abgabe aber vor allem die ohnehin schon armen Haushalte.

Auch der Geschäftsführer der Merseburger Stadtwerke erkennt darin ein Problem. „Im Zuge der Energiewende kommt es zu einer Entsolidarisierung“, sagt Guido Langer. „Je mehr Eigenheimbesitzer selbst Photovoltaikanlagen installieren, desto weniger Menschen haben die Umlage zu tragen.“ Und das schlage am Ende umso stärker auf die ärmeren Kunden oder gar die Schuldner durch.

Seit dem Jahr 2010 ist die EEG-Umlage kräftig angestiegen - von 2,047 Cent je Kilowattstunde auf nunmehr 6,88 Cent je Kilowattstunde. (mz)