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Merseburg Merseburg: Petrikloster als Zuhause

Von HANS-ERDMANN GRINGER 23.01.2012, 16:29

MERSEBURG/MZ. - Es gehört wohl zu den ältesten historischen Denkmalen von Merseburg: Das Petrikloster. Im Bereich der Altenburg auf einer Anhöhe gelegen, war hier wohl der Siedlungskern der frühmittelalterlichen Stadt. Seine Ursprünge reichen bis in das 11. Jahrhundert zurück. Zeugnis von einstiger Schönheit und Größe lassen allerdings nur noch die Südwestecke der Klausur mit romanischen Kellergewölben sowie der frühgotische Sommerrempter und der spätgotische Winterrempter erahnen. Alle anderen Bauteile sind im Laufe der Zeit vielfach verändert worden. Heute bildet das einstige Benediktinerkloster eher ein Bild des Jammers. Bis Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts noch wirtschaftlich genutzt, steht es seither leer und ist seitdem dem Verfall preisgegeben. Pläne, im Rahmen der Internationalen Bauaustellung 2010 eine Buchfabrik darin zu errichten, scheiterten. Und auch bisher ist weit und breit niemand in Sicht, der sich des Denkmals annehmen und seine Leidenszeit beenden will.

Seine besondere Zuneigung zu Merseburg und insbesondere zu dem Klostergebäude machte nun in der Stadtbibliothek ein Gast von außerhalb öffentlich. Heidrun Kligge war aus Dessau gekommen, um ihr Buch "Die Sparigs - Eine Familie aus Merseburg" vorzustellen.

"Das Buch ist meine ganz persönliche Familiengeschichte, die untrennbar mit dem Kloster verbunden ist", so die 53-Jährige, "denn meine Großeltern haben dort jahrzehntelang gewohnt und ich habe sie so oft ich konnte besucht. Dabei habe ich auch die Stadt lieben gelernt. Ich glaube, dass ihr Schicksal wohl symptomatisch ist für eine ganze Generation. Deshalb wollte ich darüber schreiben."

Auf knapp 200 Seiten ist nun viel über Merseburg, seine Historie und Denkmale wie dem Petrikloster und das damit verbundene Schicksal der Sparigs zu erfahren. Und rund 80 Besucher der Stadtbibliothek nutzten die Gelegenheit für einen Ausflug in die Stadtgeschichte.

Die Industrialisierung der Region mit dem Aufbau der Leuna-Werke hatte schon die Urgroßeltern von Frau Kligge nach Merseburg geführt. Paul, gebürtig in Baumersroda, war schwer verwundet aus dem Krieg zurück gekehrt und fand Arbeit in dem Chemiestandort. Marie kam als Magd aus Kleinpaschleben, fand Anstellung unter anderem bei einem Zahnarzt an der Hölle. Sie war ihrem Vater gefolgt, der ebenfalls in Leuna eingestellt wurde. Die beiden Kinder Johanna und Ursula kamen 1922 und 1924 zur Welt. Zuerst wohnte die Familie viele Jahre in der Kleinen Ritterstraße 7, hat Frau Kligge bei ihren zahlreichen Recherchen herausgefunden. Dann zog sie 1940 an den Bereich Unteraltenburg ins Kloster Nr. 5.

Als die Amerikaner nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Merseburg einrückten, quartierten sie sich dort ein. Die Familie musste ausziehen und zog in das alte Petrikloster schräg gegenüber. "Da gab es ein Kinderzimmer", erinnert sie sich, "und ein Schlafzimmer, von dessen Fenster man die Kirche auf dem Altenburger Friedhof sehen konnte, ein Wohnzimmer und eine ganz große Küche. Dort stand der Kohleofen und die Gastherme und auch eine Badewanne." Gleich nebenan, so Frau Kligge, hatte der Tischlermeister Winkelmann seine Werkstatt und das Brummen der Maschinen sei immer zu hören gewesen.

Eine Etage darunter war auch ein Handwerker tätig: Riffelmeister Thomas, der Getriebe für Mühlen bearbeitete. Und eine Etage über den Sparigs fand schließlich Anfang der 70er Jahre ein Jugendklub sein Domizil. Heidrun Kligge: "Den hat mein Großvater damals betreut." Da war Johanna, Heidruns Mutter, aber schon lange nach Dessau gezogen.

In besonderer Erinnerung geblieben ist Heidrun Kligge neben den dicken Klostermauern das Naturkundliche Museum, welches sich auch im Petrikloster befand und das der Förster Ulbrich unter seinen Fittichen hatte. "Da konnte man ausgestopfte Tiere ganz nah betrachten. Da durften wir Kinder immer umsonst rein, weil das ein Freund meines Großvaters war. Ich sehe noch ganz genau einen großen Bären vor mir. Das war alles wirklich sehr beeindruckend", so Heidrun Kligge, die sehr bedauert, dass das Petrikloster heute in so traurigem Zustand ist.

Das Museum dort schloss schließlich Mitte der 60er Jahre seine Pforten. Die Sparigs zogen später in die Hirtenstraße und zum Nulandtplatz. Der Großvater verstarb 1974, die Großmutter 1982. Frau Kligge zog nach Dessau, von dort hatte sie nun zu der Lesung auch ihre 88-jährige Mutter Johanna, den Vater Heinz und ihre Töchter Carmen und Sylvia mitgebracht.

Einige Merseburger wie Ruth Grund und Ilse Baader konnten sich noch an die Sparig-Familie erinnern und intensive Momente der Rührung gaben demzufolge der Lesung einen sehr emotionalen Abschluss.