Merseburg Merseburg: «Mehr Touristen müssen her»
MERSEBURG/MZ. - Michael Götze schaut nachdenklich aus dem Fenster seines Cafés am Entenplan in Richtung Gotthardstraße. "Eigentlich ist der Oktober für Gastronomen und Einzelhändler der stärkste Monat, aber irgendwie ist die ganze Innenstadt seit zwei Wochen wie tot." Es tue sich fast gar nichts - vom Zauberfest vielleicht mal abgesehen. Das Kaufhaus, das mal für die Innenstadt versprochen war, fehle. Ein Effekt des Wochenmarktes sei schon seit Jahren nicht mehr zu spüren.
"Es müssen mehr Leute in die Stadt kommen, mehr Touristen. Und dafür muss man die Stadt attraktiver machen und ein paar Sachen ändern", meint der 59-Jährige der das Lokal führt, das seit fast 30 Jahren existiert und damit wohl die älteste gastronomische Einrichtung im Zentrum der Domstadt ist. Aus dem früheren Café, in dem es nur Kaffee und Kuchen gab, hat Götze ein kleines Restaurant mit Kuchen- und Eisangebot gemacht.
Seit der Wende gab's Höhen und Tiefen - wie den Brandanschlag von 1998. "Ich hatte mich geweigert, Schutzgeld zu zahlen, bekam noch eine Warnung und dann stand eines Nachts plötzlich alles in Flammen - einen Tag vor Silvester." Zum Glück war Götze versichert, trotzdem musste das Lokal drei Monate geschlossen bleiben. "Die Stammgäste sind uns treu geblieben, das hat uns damals gerettet."
Den wunderbaren Blick auf Stadtkirche und Entenplan genießen die Stammgäste aus der Region immer noch - ebenso wie Touristen aus Australien, Finnland oder Amerika. Viele fragten ihn und seine Frau Sybille, was sie sich denn in Merseburg anschauen sollten. "Wir sind hier der Wegweiser und geben den Leuten ein paar Tipps. Wer mehr Zeit hat, den schicken wir auch nach Bad Dürrenberg, Bad Lauchstädt oder zum Geiseltalsee." Der See bringe der Region richtig was, werte sie auf. Radfahrer, die durch die Region fahren erzählten allerdings, dass sie in Merseburg schlecht ein Zimmer bekämen. Es gebe zu wenig Pensionen. "Ansonsten - wer hierher kommt und mit wem wir ins Gespräch kommen, ist begeistert von Merseburg." Die Stadt sei sehr sauber - das werde von vielen bemerkt - und alles sei dicht beieinander. "Aber die meisten Touristen kommen mit dem Bus oben am Dom- und Schlossbereich an, besichtigen den Dom und fahren wieder ab. Die Innenstadt bekommen die doch gar nicht zu Gesicht. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Busse am Markt parken sollten."
Überhaupt wünscht er sich viel mehr Werbung für die Stadt. Dass es ein neues Flugzeug mit dem Namen "Merseburg" gibt, das durch Europa jettet, findet er toll. "Aber es müsste auch einen ICE mit der riesigen Aufschrift 'Merseburg bezaubert' geben, der jeden Tag von Hamburg nach München und zurück fährt. Oder Busse und Straßenbahnen in der Region - da habe ich noch keine Werbeaufschrift gesehen." Götze jammert nicht, aber er macht sich Gedanken um seine Stadt, und wer als Tourist zu ihm kommt, kann sogar noch etwas gewinnen. "Ich frage die Auswärtigen gern, ob sie die Höhe des Turmes der Stadtkirche schätzen können." Bei einer exakt richtigen Antwort würde er dem Gast die Rechnung erlassen. Götze lächelt. "Bisher hat jeder Gast bezahlt."