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Marina in Mücheln Marina in Mücheln: Geschäftiger Ort der Ruhe

Von Julius Lukas 09.08.2014, 11:05
Hafen im Hintergrund: Marina-Geschäftsführer Thomas Weiß
Hafen im Hintergrund: Marina-Geschäftsführer Thomas Weiß Stedtler Lizenz

Mücheln/MZ - Von oben sieht das Hafenbecken der Marina Mücheln (Saalekreis) aus, als wäre es in den Geiseltalsee hineinskizziert. Die leichte Wölbung der Hafenmauer, die beiden Hafenköpfe links und rechts. Daran befestigt die Pontonstege, die auf der Wasseroberfläche schwimmend fast 100 Meter in den See ragen und an denen im rechten Winkel die Anlegegestellen befestigt sind. Von oben ist das pure Symmetrie - wären da nicht die Boote. Die bunten Farbtupfer stören die architektonische Exaktheit. Sie bringen Unruhe in das Bild. Eine Unruhe, die sich am Boden fortsetzt.

Sogar an einem Vormittag mitten in der Woche herrscht in der Marina reges Treiben. Auf den Schwimmstegen nesteln Bootsbesitzer an ihren kleinen Schiffen herum. Auf der Strandpromenade ruhen sich Fahrradfahrer aus. Am Imbiss und im Restaurant ordern Gäste Essen. Was aus der Luft ruhig wirkt, ist vom Boden betrachtet lebendig. Eine Unruhe, die Thomas Weiß freut. „Ich bin zufrieden“, sagt der Geschäftsführer der Marina Mücheln GmbH zur aktuellen Lage seines Hafens. Er sitzt auf der Terrasse vor seinem Büro - zweiter Stock im Kontor, der mit 16 Metern das höchste Gebäude der Marina ist.

Viele Baustellen

Von seinem Platz hat Weiß einen guten Überblick. Von hier aus sieht er nicht nur das rege Treiben, sondern auch die vielen Baustellen. Überall auf dem Gelände wird gewerkelt. Ferienhäuser werden errichtet und neben dem Hafenkontor entsteht ein neues Restaurant. Noch ist es ein Rohbau.

„Eigentlich müssten wir Bauhelme verteilen“, sagt Weiß mit einem Lächeln. Den Geschäftsführer stört der Bauzustand nicht. „Die Arbeiten zeigen, dass es vorangeht“, sagt er. Wohltuend sei das. Vor allem, weil Weiß auch Zeiten erlebt hat, in denen es mit der Marina gar nicht vorwärts ging.

Die Geschichte des Hafens ist dabei vor allem eine Geschichte des Geiseltalsees. Jahrhunderte lang wurde am Rande von Mücheln Braunkohle abgebaut. Für 1697 sind die ersten Förderungen belegt. Über die Zeit wurden die Löcher in der Region immer tiefer - insbesondere mit der Intensivierung des Abbaus nach 1945. Ganze Ortschaften mussten weichen. Sogar eine Straßenbahnstrecke fiel der Braunkohle zum Opfer.

Ein Leuchtturmprojekt

Nach der Wende wurde der Bergbau abgewickelt. 1,43 Milliarden Tonnen Braunkohle wurden über die Jahrhunderte hinweg aus dem Boden geholt. Die letzten Kilos gelangten 1993 ans Tageslicht. Die Rekultivierung begann. Bis 2003 investierten Land und Bund 210 Millionen Euro. Dann begann die Flutung der Bergbaugrube. Es entstand der größte künstliche See Deutschlands und die Idee, ihn touristisch zu nutzen.

Die Marina sollte ein Vorzeigeprojekt werden. Das Konzept: 160 Ferienhäuser und 200 Bootsliegeplätze. Im Juli 2005 kam Reiner Haseloff nach Mücheln, um den Fördermittelbescheid zu überbringen. „Ich rufe alle Kommunen auf, das Müchelner Hafenprojekt als gemeinsame Chance zu nutzen“, sagte der heutige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, der damals Staatssekretär im Wirtschaftsministerium war. 2,5 Millionen Euro gab es vom Land.

Den Rest der Kosten von 5,5 Millionen Euro bezahlten die EU und die Stadt. Innerhalb von zwei Jahren sollte die Marina entstehen. Über das Gelände, auf dem sich heute der Hafen befindet, führte damals nur ein Waldweg. Und Wasser war noch nicht in Sicht - die Grube wurde langsam geflutet.

Auf Seite 2 lesen mehr über das plötzliche Ende der Entwicklung und wie es doch weiterging.

Zuerst begann man die Spundwände, die den Hafen vom See trennen, zu bauen. Doch schon dabei gab es Probleme. Der Boden war nicht fest genug, die Böschung rutschte ab. Eine zusätzliche Verankerung musste die Hafenmauer sichern. Es war nur der Auftakt von zahlreichen ähnlichen Problemen. Immer wieder bereitete der Untergrund Schwierigkeiten. Das Projekt verzögerte und verteuerte sich. Die Marina wurde zum Sorgenkind.

Als der Hafen dann im Mai 2008 eröffnete, hatte er rund acht Millionen Euro verschlungen. Die sollten nun über den Verkauf von Grundstücken und die Miete für die Liegeplätze refinanziert werden. Der Ansturm war groß. Für die ersten 75 Ferienhäuser gab es doppelt so viele Bewerbungen. Die Plätze im Hafen waren schnell vergeben. Der Marina-Tourismus lief gut an, wurde jedoch wenig später plötzlich und heftig gestoppt.

Im Juli 2009 gab es einen verheerende Erdrutsch. Nicht in Mücheln, sondern in Nachterstedt (Salzlandkreis). Mehrere Häuser fielen in den Concordiasee, der wie der Geiseltalsee ein ehemaliges Tagebauloch ist. Drei Menschen starben.

Bockwürstchen und Fahrradverleih

„Wir hätten nicht gedacht, dass sowas passieren kann“, sagt Marina-Chef Weiß. Für den Geiseltalsee bedeutete das Unglück zusätzliche Sicherheitsprüfungen. Die komplette Freigabe der Wasserfläche, die für 2010 geplant war, rückte in weite Ferne. Bauprojekte wurden erst einmal auf Eis gelegt, Investoren zogen sich zurück. „Wir haben uns mit dem Verleih von Fahrrädern und dem Verkauf von Bockwürstchen und Fischbrötchen über Wasser gehalten“, erinnert sich Weiß an eine Zeit, die für ihn heute längst vergangen erscheint.

Nach den Prüfungen wurde 2012 der erste Teil des Sees freigegeben. 2013 folgte ein weiterer. Die Marina kam wieder in gutes Fahrwasser und der Ausbau ging nun weiter. Mehr als 20 Ferienhäuser stehen schon. Und alle 132 Bootsanlegeplätze sind besetzt. An der Erweiterung auf 200 wird bereits gebaut.

Mit der Ruhe, die das Hafenbecken noch aus der Luft verströmt, ist es am Boden definitiv vorbei. 80 000 Touristen besuchten die Marina im vergangenen Jahr. „80 Prozent kamen von außerhalb“, sagt Weiß stolz und schiebt hinterher: „Bis zu 250 000 pro Jahr sollten möglich sein.“

Voller Hafen: Die Bootsanleger der Marina Mücheln sind alle belegt. 132 Plätze bietet das Hafenbecken, der Ausbau auf 200 läuft bereits.
Voller Hafen: Die Bootsanleger der Marina Mücheln sind alle belegt. 132 Plätze bietet das Hafenbecken, der Ausbau auf 200 läuft bereits.
Andreas Stedtler Lizenz