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Leute Leute: Mit dem Rollstuhl reist man anders

Von Elke Jäger 12.07.2002, 17:15

Merseburg/MZ. - Wenn Gisela Dornack beginnt, Reiseführer zu wälzen, muss es etwas Besonderes sein. Einfach mal Übernachtung mit Frühstück oder Halbpension in einer netten Gegend reicht da beileibe nicht aus. Für die Ziele, die sie mit ihrer Truppe ansteuert, gelten klare Regeln: Keine Treppen, auf festen Wegen erreichbar, breite Türen in den Zimmern. Alles, bis zu den Sanitäreinrichtungen, muss so sein, dass sich auch ein Rollstuhlfahrer wohl fühlen kann.

Gisela Dornack ist die Vorsitzende des Behindertenverbandes Merseburg und organisiert einmal im Jahr eine längere Fahrt für alle. Da will vieles bedacht sein, und deshalb ist eine gründliche Vorbereitung das A und O.

Mittlerweile hat sich die rührige 62-Jährige verschiedene Kataloge und Bücher besorgt, in denen speziell Reisen für Behinderte angeboten werden. Die Fahrt in diesem Jahr führte nach Erfurt, das hat allen Teilnehmern sehr gut gefallen. Fürs nächste Jahr sind deshalb schon 15 statt der diesmal zehn Plätze reserviert.

Seit vier Jahren steht Frau Dornack an der Spitze des Verbandes. Der bisherige Vorsitzende war damals aus gesundheitlichen Gründen zurück getreten, keiner wollte den Posten übernehmen. Die Situation spitzte sich so zu, dass schon von Auflösung die Rede war. Eine Verein ohne Spitze, das ging nun mal schlecht. Guter Rat schien teuer.

Da überwand sich die Merseburgerin, kandidierte für den Vorstand und übernahm den Vorsitz des Vereins. Es wäre doch traurig gewesen, alles den Bach hinunter gehen zu lassen, begründet sie ihren Schritt. Als Dankeschön für ihr Engagement schlugen die Mitglieder ihre Vorsitzende für den Blumenstrauß der Woche vor.

Früher hat sie im Schichtdienst als Anlagenfahrerin in Leuna gearbeitet, nun stürzte sie sich "in den Bürokram". Anfangs, lacht sie, habe sie Telefonnummern gesammelt wie andere Sammeltassen. Sie knüpfte Kontakte, informierte sich über Rechtsvorschriften und trug Ideen für die weitere Vereinsarbeit zusammen. Die werden im Vorstand dann ausgiebig beraten. Inzwischen hat sie daheim ein richtiges kleines Büro, und an der Tür hängt ein Kalender mit allen Namen und Geburtstagen der 30 Mitglieder. Jeder soll pünktlich seinen Glückwunsch erhalten.

Wieviel Stunden sie in Sachen Ehrenamt unterwegs ist, zählt sie nicht. "Ich mach das gern", sagt sie mit Überzeugung. "Da habe ich eine Verpflichtung und sitze nicht nur zu Hause." Und als Rentnerin habe sie genügend Zeit, sich die Termine einzuteilen. Zu ihren selbst auferlegten Pflichten gehören auch die Besuche erkrankter Mitglieder im Krankenhaus oder in deren Wohnung.

Das Jahresprogramm des Behindertenverbandes Merseburg lässt manchen neidisch werden. Monatlich finden Treffen im Kiz Rosental statt, Tagesausflüge werden angeboten und die jahreszeitlichen Höhepunkte von Karneval bis zur Weihnachtsfeier fehlen ebensowenig. Nächster Höhepunkt ist das Sommerfest am 27. Juli im Kiz. Übrigens freut sich Gisela Dornack stets, wenn sich "Neue" bei ihr melden. Verstärkung kann der Verband gut gebrauchen, unterstreicht sie.

Näheres über Behindertenverband und Veranstaltungen unter Telefon 03461/21 39 69